Erfahrungsbericht einer Sinologin.

In diesem Interview erfahren Sie von Friederike, wie sich ihr Arbeitsalltag als Sinologin beim Bundesamt für Verfassungsschutz gestaltet.
Wie bist du darauf gekommen, dich beim Bundesamt für Verfassungsschutz als Sinologin zu bewerben?
Mein großer Wunsch war, nach meinem Sinologie-Studium einen Job zu finden, in dem ich meine Chinesisch-Sprachkenntnisse tagtäglich anwenden kann. Das ist in Deutschland gar nicht so leicht und ehrlich gesagt arbeiten die meisten meiner früheren Kommilitoninnen und Kommilitonen mittlerweile in Jobs ohne jeglichen Chinesisch-Bezug.
Umso dankbarer bin ich, dass mir damals eine Stellenausschreibung des BfV für Chinesisch-Fremdsprachenexpertinnen und -experten weitergeleitet worden war. Denn ich hatte den Verfassungsschutz überhaupt nicht als Arbeitgeber auf dem Schirm und hatte wirklich gar keine Vorstellung davon, wie ein Job für mich dort aussehen könnte. Ein Freund hat mich dann sehr zu einer Bewerbung ermutigt. "Bewirb dich da!", hat er gesagt, weil er ahnte, dass diese Stelle genau das Richtige für mich sein könnte.
Vor wenigen Jahren habe ich meinen Job als Fremdsprachenexpertin beim Inlandsnachrichtendienst schließlich angetreten. Und der Freund hatte tatsächlich Recht: Ich habe genau den richtigen Job für mich gefunden. Ich kann hier meine Leidenschaft für die Fremdsprache und mein politisches Interesse in einer extrem sinnvollen Arbeit miteinander vereinen.
Wie ist dein persönlicher Hintergrund?
Ich habe mich schon als Jugendliche für die Region Asien interessiert. Hauptsächlich kam das erstmal durch die Popkultur. Doch auch die gesamte Region, die Geschichte und die Politik faszinierten mich mehr und mehr. Daher entschied ich mich, nach meinem Abi ein Gap-Year in Ostasien zu absolvieren. Während dieser Zeit entdeckte ich mein Herz für die Region und vor allem die chinesische Sprache. Im Anschluss studierte ich daher Ostasienwissenschaften im Bachelor und Master.
Wie sieht deine Arbeit als Sinologin beim BfV konkret aus?
Ich arbeite im G-10-Bereich und bin dort für mehrere sogenannte "Hauptbetroffene" zuständig. Bei diesen Personen wird, nach vorheriger Zustimmung durch das zuständige Gremium des Deutschen Bundestages, die sog. G-10-Kommission, eine Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) durchgeführt. Meine Aufgabe ist es, daraus gewonnene fremdsprachliche Audio-, Text- und Videodateien zu sichten, zu filtern und aus den relevanten Informationen Berichte zu erstellen und den Fachabteilungen zur weiteren Analyse zuzuliefern. Dabei tauche ich also nicht nur sehr tief in die Sprache ein, sondern regelmäßig recherchiere ich auch Details nach und eigne mir selbständig Hintergrundinfos an. Das hilft mir dabei, Zusammenhänge besser zu verstehen und richtig einzuordnen.
Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Ich bin überhaupt kein Morgenmensch. Deshalb genieße ich die flexiblen Arbeitszeiten und trudel eher später im Büro ein. In der Regel starte ich dann mit einem Kaffee vor mir, einem Stift in der Hand und dem Kopfhörer auf den Ohren und arbeite mich nach einer vorgegebenen Prioritätenliste durch die neuesten Audiodateien. Dabei mache ich mir Notizen von relevanten oder ungewöhnlichen Informationen und füge diese später – wie kleine Puzzleteile – den bereits vorliegenden Informationen hinzu. Nach und nach entsteht so ein vollumfängliches Bild, das ich in meinen Berichten skizziere.
Natürlich komme ich durch meine Arbeit mit vielen sehr sensiblen und gelegentlich auch belastenden Informationen in Berührung. Für mich ist es daher superwichtig, immer wieder Pausen zu machen um mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen bei einem Kaffee oder einem kurzen Spaziergang in einem unserer grünen Innenhöfe auszutauschen.
Ich arbeite sehr eigenständig, habe ein Einzelbüro und teile mir die Aufgabenpakete und Zeiten – im Rahmen der zuvor festgelegten Priorisierung – selber ein. Das genieße ich. Gleichzeitig bin ich glücklich, Teil eines tollen Teams zu sein, mit dem ich mich jederzeit offen austauschen kann.
Mein absolutes Wochenhighlight ist die Sportstunde, an der wir während der Arbeitszeit teilnehmen dürfen. Wir haben eine sehr gute Trainerin, die es jedes Mal schafft, dass ich in dieser einen Stunde komplett abschalten kann. Die teils schwierigen Themen rücken dann schnell in den Hintergrund.
Um meine Arbeit gedanklich nicht mit in den Feierabend zu nehmen, habe ich mir außerdem angewöhnt, auf dem Heimweg Hörbücher zu hören. Und zwar besonders gern Fantasygeschichten, die möglichst fernab vom richtigen Leben spielen und mich dadurch auf komplett andere Gedanken bringen.
Was treibt dich in diesem Job an und motiviert dich?
Ich brenne einfach für "meine Fremdsprache" und liebe es, mich vokabularisch und inhaltlich in neue Themen einzuarbeiten. Vor allem in meinem ersten Jahr hier habe ich eine so starke Lernkurve hingelegt. Diese Weiterentwicklung ist sehr motivierend und macht mir einfach richtig viel Spaß. Außerdem vertiefe ich mich gern in neue Themen. Manchmal versinke ich regelrecht darin und es passiert mir, dass ich vor lauter Eifer in einem Recherche-Rabbithole steckenbleibe und mich frage, wie ich dort gelandet bin.
Neben der Sprache und auch dem guten Teamzusammenhalt motiviert mich auch die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit. Schließlich kann sie dazu führen, dass eine Gefahr von unserem Land abgewendet wird. Eine größere Belohnung für die eigene Arbeit kann ich mir nicht vorstellen.
Was sollten fremdsprachliche Mitarbeitende deiner Meinung nach mitbringen?
Erstmal will ich euch ermutigen: Ihr braucht für diesen Job, genau wie ich, keine Muttersprachler/-innen zu sein. Natürlich müsst ihr ein gewisses Sprachniveau mitbringen, das wird im Auswahlverfahren abgeprüft. Aber das A und O ist eigentlich, dass ihr für eure Sprache brennt und Freude daran habt, euch tagtäglich mit ihr auseinanderzusetzen. Hört ihr gern fremdsprachliche Podcasts oder lest fremdsprachliche Tageszeitungen? Beides hilft enorm, um immer weiter in die Sprache einzutauchen und auch beim Tagesgeschehen up-to-date zu bleiben. Außerdem solltet ihr offen sein für neue Themen und Spaß daran haben, eigenständig Recherchen dazu durchzuführen.
Ich denke außerdem, dass dieser Job für extrem sensible Menschen schwierig sein könnte. Damit die Arbeit nicht zu belastend ist, solltet ihr in der Lage sein, eine gewisse Distanz zu den Personen und Themen aufzubauen, mit denen ihr euch tagtäglich beschäftigt.
Und insgesamt solltet ihr euch darüber im Klaren sein, dass es für diese Arbeit keine Ausbildung gibt, die ihr irgendwo absolvieren könnt. Gebt euch auf alle Fälle etwas Zeit, um euch in diesen ungewöhnlichen Job einzuarbeiten und habt am Anfang etwas Geduld mit euch.
Wenn du deine Arbeit in drei Worten zusammenfassen müsstest, wie würden die lauten?
1. Eigenständigkeit
2. Tagesaktualität
3. Tägliche positive Herausforderung