Begriffe und Hintergründe.
Für Regierungen nahezu aller Staaten sind sensible Informationen aus dem Ausland von entscheidender Bedeutung, um beispielsweise politische Leitlinien zu entwickeln, rechtzeitig auf globale Krisen reagieren oder weltpolitische Ambitionen durchsetzen zu können.
Diplomaten sammeln frei verfügbare Informationen, um ihre Regierungen über aktuelle Ereignisse und längerfristige Entwicklungen zu unterrichten und um die Beziehungen ihrer Heimatstaaten mit dem Gastland zu fördern.
Viele Regierungen geben sich mit der Beschaffung frei verfügbarer Informationen allerdings nicht zufrieden. Sie streben danach, Erkenntnisse aus anderen Staaten zu erlangen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Hier beginnt die Welt der Spionage und die Nachrichtendienste als zentrale Akteure kommen ins Spiel.
Die gegen Deutschland gerichteten Betätigungsfelder ausländischer Nachrichtendienste sind heutzutage zahlreich. Ihr verdecktes Vorgehen zur Informationsbeschaffung und illegitimen Einflussnahme, zum illegalen Waffen- und Know-How-Erwerb sowie zu Sabotage- oder gar Terrorismuszwecken stellt den Verfassungsschutz vor große Herausforderungen. Hinzukommt, dass sich der Aktionsradius von ausländischen Nachrichtendiensten durch die Entwicklung neuer Technologien und die fortschreitende Digitalisierung (Themenbereich Cyberabwehr) deutlich erweitert hat.
Spionage
Unter Spionage versteht man die Erkundung der politischen Faktoren sowie der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und militärischen Potenziale eines anderes Staates durch ausländische Nachrichtendienste oder in deren Auftrag - zumeist mit verdeckten Mitteln und Methoden. Soweit Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, kommt eine Strafbarkeit gemäß § 93 ff. StGB in Betracht.
Die klassische Spionage umfasst das verdeckte Beschaffen von Informationen oder geheim gehaltenem Wissen in Politik und Verwaltung sowie Wirtschaft und Wissenschaft - und zwar mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Manche Nachrichtendienste spähen in Deutschland zudem hier ansässige Personen und Organisationen aus, die in Opposition zu der jeweiligen Regierung im Heimatland stehen oder versuchen, diese zu unterwandern.
Durch das Ausspionieren wollen fremde Staaten einen Wissensvorsprung erwerben, um so politische, militärische, wirtschaftliche oder technologische Vorteile zu erlangen.
Wirtschaftsspionage
Ausländische Staaten haben großes Interesse an deutschem Know-how. Für fremde Nachrichtendienste zählt daher auch das Ausforschen von Unternehmen zum Aufgabenprofil.
Ziel von Wirtschaftsspionage ist es vor allem, die technologische Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft zu unterstützen oder einen anderen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.
Die Abwehr nachrichtendienstlicher oder anderweitig staatlich betriebener Ausforschung von Wirtschaft und Wissenschaft gehört daher zu den wichtigen Aufgaben des Verfassungsschutzes und wird durch den Bereich Prävention (Wirtschafts- und Wissenschaftsschutz) innerhalb des Bundesamtes auch gesondert adressiert.
Ausländische Direktinvestitionen (ADI)
Ebenfalls in diesem Kontext sind ausländische Direktinvestitionen, aber auch Fusionen und Unternehmensaufkäufe zu betrachten. Sie eröffnen ausländischen Staaten nicht nur die Möglichkeit, einen Innovationsrückstand auszugleichen, sondern auch einen technologischen Vorsprung zu erzielen. Sie öffnen zudem die Tür zu mehr Einflussnahme. Beides zum Nachteil Deutschlands.
Investitionen aus dem Ausland werden dann Teil einer umfassenden geopolitischen Strategie, wenn durch eine wirtschaftliche Abhängigkeit politische Entscheidungen oder die öffentliche Meinung im Sinne der eigenen Interessen beeinflusst werden können. Aber ADI im Bereich sensibler Technologien oder kritischer Infrastrukturen können auch Risiken für die öffentliche Sicherheit in Deutschland bergen.
Einflussnahme und Desinformation
Zu den klassischen vorgenannten Spionagemethoden sind in den letzten Jahren zunehmend Aktivitäten im Bereich der Einflussnahme getreten. Einflussnahme gehört traditionell zum Repertoire auswärtiger Politik. In Verbindung mit Desinformation und verborgenem Vorgehen – im Rahmen einer „Schlacht der Narrative“ – hat sie Auftrieb erfahren.
Fremde Staaten verfolgen mit ihren illegitimen Einflussnahmeaktivitäten unterschiedliche Ziele. So soll die Überlegenheit des eigenen Gesellschaftsmodells herausgestrichen werden. Oftmals geht es aber einfach darum, den Ausbau der eigenen globalen Machtposition abzusichern. Es kann aber auch die Intention dahinter stecken, die eigene wirtschaftliche Dynamik zu stützen.
Weitere Aktivitäten zielen auf den demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess. So wird Einfluss auf deutsche Entscheidungsträger im Sinne einer fremden Macht ausgeübt oder das Vertrauen der Bevölkerung in die Stabilität demokratischer Institutionen geschwächt. Dazu gehört es, auch die Rolle unabhängiger Medien in Frage zu stellen.
Weiterführende Informationen zum Umgang mit Einflussnahme und Desinformation enthalten die Informationsangebote des Bundesinnenministeriums: „Umgang mit Desinformation“ und „Desinformation als hybride Bedrohung“.
Staatsterrorismus
Als Staatsterrorismus wird der von Staaten ausgeübte oder gesteuerte Terrorismus bezeichnet, der dazu dient, außen- oder innenpolitische Ziele zu verfolgen.
In Bezug auf einige ausländische Nachrichtendienste gibt es Hinweise darauf, dass sie Ziele für mögliche Anschläge gegen westliche Einrichtungen oder unliebsame Personen ausforschen. Und einige schrecken nicht davor zurück, sogar Entführungen oder Tötungsdelikte durchzuführen. Solche Gefahren für Deutschland und hier lebende Menschen bearbeitet die Spionageabwehr mit besonderer Priorität.
Die Spionageabwehr deckt diese geheimdienstlichen Anstrengungen auf und arbeitet eng mit den Sicherheits- bzw. Strafverfolgungsbehörden in Bund und Ländern sowie mit internationalen Partnern (Thema nationale- und internationale Zusammenarbeit) zusammen, um entsprechenden Aktivitäten frühzeitig entgegenzuwirken.
Proliferation
Unter Proliferation versteht man die Weiterverbreitung aller Arten von Massenvernichtungswaffen (atomare, biologische und chemische Waffen), von Raketen und Drohnen als deren gefährlichste Trägersysteme sowie sämtliche Mittel zum Aufbau von Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsstätten inklusive der eigentlichen Produktion dieser Waffen bzw. Raketen. Dazu gehört auch die Weitergabe von Know-how in jeder Form.
Eine unkontrollierte Verbreitung solchen Wissens und solcher Waffentechnik gefährdet die regionale Stabilität in verschiedenen Weltregionen, leistet Rüstungswettläufen Vorschub oder kann zu nicht mehr eindämmbaren militärischen Auseinandersetzungen führen.
Eine im Zusammenhang mit der Proliferationsabwehr immer wieder auftauchende Begrifflichkeit ist das aus dem Englischen entlehnte Dual-Use („Doppelverwendungsfähigkeit“).
Dual-Use wird als nähere Bezeichnung für Waren und Produkte verwendet, die sowohl für zivile Anwendungen als auch für militärische Zwecke (=doppelte Verwendbarkeit) geeignet sind. Diese Möglichkeit der Adaption birgt gleichsam ein besonderes Gefährdungspotenzial, weswegen ein Export von potenziellen Dual-Use-Gütern in Länder außerhalb der Europäischen Union ohne Kontrolle und sog. Ausfuhrgenehmigung nicht möglich ist. Voraussetzung für eine Exportgenehmigung ist dabei stets die eindeutige Feststellung einer ausschließlich zivilen Nutzung durch den Endempfänger.
Die Proliferationsabwehr, die Verhinderung der illegalen Beschaffung von Gütern, Technologien und Wissen zur Entwicklung und Herstellung von Massenvernichtungswaffen ist gerade in Zeiten eines Wettlaufs um moderne Rüstungstechnologie eine bedeutsame Aufgabe des Verfassungsschutzes.
Sabotage
Die Aufklärung und Abwehr von Sabotage mit nachrichtendienstlichem Hintergrund zählt ebenfalls zu den Aufgaben der Spionageabwehr.
Erfahren Sie mehr zum Komplex Sabotage unter dem Aspekt der Sicherheitsüberprüfung im Themenbereich Geheim- und Sabotageschutz.