Informationsbeschaffung.
Bewegen sich Vereine oder politische Parteien programmatisch auf dem Boden des Grundgesetzes oder sind ihre Aktivitäten nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar? Zählt eine extremistische Person oder Gruppierung zum terroristischen Spektrum und ist im Begriff, einen Anschlag auf deutschem Boden zu begehen?
Die frühzeitige Beantwortung dieser Fragen wäre ohne die Gewinnung, Einordnung und Bewertung von Informationen für den Verfassungsschutz nicht denkbar. Verlässliche Informationen sind die Währung, mit der die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vor Terrorismus und politischem wie religiösem Extremismus bezahlt wird.
Informationsgewinnung aus offenen Quellen
Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht verwundern mag, aber einen Großteil seiner Informationen erhält der deutsche Inlandsnachrichtendienst aus allgemein zugänglichen Quellen.
So werden etwa einschlägige Zeitungen analysiert und dort zitierte Reden und Beiträge von Personen, die extremistischen Organisationen zuzurechnen sind, einer Prüfung unterzogen. Ebenso zählen Flugblätter, Parteiprogramme, Vereinssatzungen und einschlägige Internetauftritte zum Informationsfundus, aus dem sich der Verfassungsschutz im Bund und in den Ländern bedient.
Eine wichtige Erkenntnisquelle stellt zudem der Besuch von öffentlichen Veranstaltungen dar. Überdies führt der Verfassungsschutz auch eigeninitiativ etwa Personenbefragungen durch, um sachdienliche Hinweise zu generieren. Diese Befragungen erfolgen auf freiwilliger Basis und die handelnden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes treten offen als solche in Erscheinung.
Vielfach reichen die auf diesen Wegen gewonnenen Informationen für den Verfassungsschutz aus, um seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
Informationsgewinnung mit nachrichtendienstlichen Mitteln
Es liegt in der Natur der Sache, dass verfassungsschutzrelevante Personen und Gruppierungen sich nicht immer öffentlich organisieren, also ihrer Gesinnung und Motivation mehr im Verborgenen Ausdruck verleihen und Planungen zur Verwirklichung ihrer Zielvorstellungen heimlich vollziehen.
„Die Gegner unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zeigen nicht immer ihr Gesicht und profitieren von der Anonymität – zum Beispiel im Internet. Als Frühwarnsystem ist es unser gesetzlicher Auftrag, sie zu identifizieren und zu benennen.“
Diese heimliche Vorgehensweise, also das gezielte Verbergen der eigenen Absichten, ist der immanente planerische Vorteil von Extremisten, Terroristen und Spionen. Um auch jene getarnten oder geheim gehaltenen Aktivitäten beobachten zu können, ist es dem Verfassungsschutz daher gestattet, auch sog. nachrichtendienstliche Mittel (ND-Mittel) zur Informationsbeschaffung einzusetzen.
Zu diesen nachrichtendienstlichen Mitteln gehören insbesondere
- die Observation,
- der Einsatz von Vertrauensleuten (V-Leuten),
- die Überwachung des Brief-, Post - und Fernmeldeverkehrs sowie die
- Internetbeobachtung.
Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder dürfen nachrichtendienstliche Mittel indes nur unter sehr strengen gesetzlichen Voraussetzungen anwenden. Der Verfassungsschutz greift bei der Anwendung von ND-Mitteln in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein und ist stets zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet. So kommt die Anwendung eines ND-Mittels als ultima ratio nur dann in Betracht, wenn alle sonstigen (milderen) Mittel zur Informationsbeschaffung nicht gleichermaßen geeignet sind und die Durchführung der Maßnahme an sich zu dem zu erwartenden Nutzen nicht erkennbar außer Verhältnis steht. Keinesfalls darf der Verfassungsschutz den Kernbereich privater Lebensgestaltung, zu dem insbesondere die Intimsphäre gehört, verletzen.
Dieser enge rechtliche Maßstab gilt dabei nicht lediglich für die Genehmigung einer Maßnahme, sondern auch für deren Ausführung, die eine sehr hohe Sensibilität erfordert. Nur umfassend geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen im Rahmen der Informationsbeschaffung mit der Anwendung von ND-Mitteln betraut werden.
Observation
Unter Observation versteht man die verdeckte Beobachtung von Personen und Objekten, die es dem Verfassungsschutz ermöglicht, wichtige Informationen etwa zu Anlaufpunkten, Treffobjekten oder zu Kontaktpersonen zu ermitteln.
Die gezielte Beobachtung einer Person, die mit der Erhebung personenbezogener Daten einhergeht, stellt einen Eingriff in das sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar und darf stets nur nach sehr sorgfältiger und strenger Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen in den Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der Länder zur Anwendung kommen.
Vertrauensleute (V-Leute)
V-Leute sind keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, sondern Personen, die zumeist extremistischen Gruppierungen oder anderen Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes angehören. Sie liefern im Regelfall gegen eine Vergütung Informationen, die es dem Verfassungsschutz ermöglichen, die Motive, Planungen und Absichten des jeweiligen verfassungsschutzrelevanten Umfeldes aufzuklären. Der Begriff "Vertrauensleute" leitet sich daraus ab, dass den betreffenden Personen Vertraulichkeit zugesichert wurde. Der sog. "Quellenschutz" gewährleistet, dass sowohl die Identität von V-Leuten als auch ihre Verbindung zum Verfassungsschutz geheim bleiben müssen.
Die sehr strengen und äußerst engen Voraussetzungen zum Einsatz von V-Leuten sind ebenfalls in den Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der Länder geregelt.
Brief-, Post- und Fernmeldeüberwachung
Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) darf der Verfassungsschutz zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes Telekommunikation überwachen und aufzeichnen und dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegende Sendungen öffnen und einsehen.
Zwingende Voraussetzung für die Durchführung derartiger Maßnahmen ist allerdings, dass das zuständige Gremium des Deutschen Bundestages oder des jeweiligen Landtages, die sog. G-10-Kommission, im Vorfeld ihre Zustimmung erteilt hat.
Die Voraussetzungen für Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz sind sehr hoch: So müssen Anhaltspunkte für bestimmte, schwerwiegende Straftaten (zum Beispiel Hochverrat, geheimdienstliche Agententätigkeit oder Bildung einer terroristischen Vereinigung) vorliegen. Außerdem muss die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein.
Internetbeobachtung
Wie eingangs erwähnt werden einschlägige Seiten des Internets, die von Terroristen und militanten Extremisten frequentiert werden, durch die Analytiker des Verfassungsschutzes systematisch und kontinuierlich beobachtet und ausgewertet. Aber das Internet wird auch für die verdeckte Informationsbeschaffung, etwa in den sozialen Medien, genutzt, was ebenfalls nur unter sehr strengen Voraussetzungen rechtlich zulässig ist.