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Auslandsbezogener Extremismus.

Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus

0 :Das Personenpotenzial der extremistischen auslandsbezogenen Organisationen liegt bei 29.750

Das Personenpotenzial extremistischer auslandsbezogener Organisationen belief sich im Jahr 2022 auf insgesamt 29.750 Personen (2021: 28.650) und ist somit im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 % angestiegen. Die zahlenmäßig bedeutsamste Organisation in Deutschland ist weiterhin die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) mit 14.500 Anhängern.

Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland1

202020212022
„Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK)14.50014.50014.500
Türkischer Rechtsextremismus11.00011.00012.100
Türkischer Linksextremismus2.5502.5502.550
Sonstige600600600
Summe28.65028.65029.750
1 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet.

Auslandsbezogene extremistische Straf- und Gewalttaten

Die Straftaten mit einem auslandsbezogenen extremistischen Hintergrund haben das zweite Jahr in Folge zugenommen. Im Jahr 2022 fiel der Anstieg um 154,4 % auf nunmehr 1.974 Delikte (2021: 776) besonders deutlich aus. Nahezu eine Verdopplung zeigt sich bei den Gewaltdelikten (226 Delikte; 2021: 116).

Den größten Anteil an der Gesamtzahl der Straftaten und an der deutlichen Zunahme haben die 1.229 Delikte, die 2022 im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – ausländische Ideolgie“ in Deutschland im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erfasst worden sind. Ohne diesen mit einer völlig neuen Bedeutung versehenen Bezugspunkt für Straftaten im auslandsbezogenen Extremismus liegen die Straftaten in den übrigen Teilbereichen insgesamt in etwa auf dem Niveau des Vorjahrs.

Der Anstieg bei den Gewalttaten bleibt auch ohne den durch diese Thematik verursachten Sondereffekt bestehen – wenn auch weniger deutlich.
Agitation und Militanzniveau im auslandsbezogenen Extremismus sind überwiegend von der politischen Entwicklung und den strategischen Richtlinien der Organisationen in den jeweiligen Heimatländern abhängig. Das den auslandsbezogenen Extremismus prägende Veranstaltungsgeschehen hat nach den pandemiebedingten Einschränkungen in den Vorjahren im Jahr 2022 wieder sichtbar zugenommen; das Niveau von vor der Pandemie wurde aber noch nicht erreicht. Auch das Vereinsleben nahm wieder zu und erreichte zum Teil wieder das Vor-Pandemie-Niveau.

Straftaten mit auslandsbezogenem extremistischem Hintergrund

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Mehr zum Thema: „Zahlen und Fakten"

Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde von den im auslandsbezogenen Extremismus beobachteten Gruppierungen und Einzelpersonen unterschiedlich thematisiert. Innerhalb einer heterogenen, prorussischen Community gab es kontroverse Diskussionen bis hin zu Rechtfertigungen und Verteidigungen des Narrativs der russischen Regierung. Insbesondere in den sozialen Medien traten einzelne Personen mit extremistischen und völkerverständigungswidrigen Äußerungen in Erscheinung. Mit Schwerpunkt im Frühjahr 2022 kam es aus diesem Spektrum zu prorussischen Versammlungen und Autokorsos mit Teilnehmerzahlen im drei- bis niedrigen vierstelligen Bereich. Im Verlauf des Jahres nahmen diese öffentlichen Versammlungen wieder ab. Ein überregional dominierender Personenzusammenschluss war hierbei nicht festzustellen. In den kurdischen und türkisch geprägten extremistischen Organisationen wurde der Krieg nur anfangs thematisiert. Überwiegend konnten proukrainische Äußerungen festgestellt werden. Die Thematik wurde allerdings schnell wieder überlagert von für die Organisationen wichtigeren Themen.

Pro Russische Demonstration in Frankfurt am Main, mit in der Spitze ca 800 Teilnehmer*innen. Auch Vertreter der "Nachwölfe", eines Russischen patriotisch-staatsnahen Bikerklub waren dabei.
picture alliance / Daniel Kubirski | Daniel Kubirski

Finanzierung

Eine wesentliche Betätigung der verschiedenen Organisationen im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland ist die Beschaffung von Geldmitteln. Diese fließen neben den Strukturen und Aktivitäten in Deutschland und Europa zum Teil auch den Mutterorganisationen in den Heimatländern zu. Diese Finanzierungsströme aufzuklären, strafrechtlich zu verfolgen und dadurch nachhaltig zu stören ist wesentlicher Bestandteil der Gesamtstrategie der Sicherheitsbehörden zur Terrorismus- und Extremismusbekämpfung. Hierzu zählt auch die offene Nennung verfassungsschutzrechtlich relevanter Organisationen im Verfassungsschutzbericht.

„Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK)

Das Bild zeigt das Logo der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Die PKK erzielte im Jahr 2022 bei ihrer „Jahresspendenkampagne“ („kampanya“) allein in Deutschland geschätzt zwischen 16 und 17 Millionen Euro und erreichte damit in etwa wieder das hohe Vorjahresniveau. Die „kampanya“, die äußerst konspirativ verläuft, ist in Deutschland die wesentliche Einnahmequelle der PKK.

Die 1978 gegründete PKK strebt eine kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung für die Kurden in ihren Siedlungsgebieten in der Türkei, aber auch im Nordirak und im Norden Syriens an. Maßgeblich bleibt hierbei allein die von den Führungskadern vorgegebene Parteilinie. Zur Durchsetzung ihrer Ziele rief der Parteigründer Abdullah Öcalan 1984 zum bewaffneten Kampf auf, der seitdem mittels Guerillaeinheiten – in der Türkei insbesondere die „Volksverteidigungskräfte“ (HPG) und deren „Frauenverteidigungskräfte“ (HPJ) – gewaltsam geführt wird. Trotz seiner Verhaftung 1999 wird der seitdem in der Türkei inhaftierte Öcalan von der PKK-Anhängerschaft unverändert als unumstrittene Führungs- und Symbolfigur verehrt. In Deutschland ist die PKK seit 1993 mit einem Betätigungsverbot belegt und von der EU seit 2002 als Terrororganisation gelistet.

Mehr zum Thema: „Rekrutierung von Kämpfern für die PKK in Deutschland“

In Europa bemüht sich die PKK seit Jahren um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild. Jedoch kommt es bei öffentlichen Veranstaltungen immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei oder mit türkischstämmigen Nationalisten beziehungsweise türkischstämmigen Rechtsextremisten.

 Ein Mann zeigt beim kurdischen Newroz-Fest in Frankfurt eine Flagge mit dem Bild des inhaftierten kurdischen Führers Abdullah Öcala.
brx pil, dpa, Boris Roessler

Im Jahr 2022 ist es der PKK mit der Ausrichtung von bei ihrer Anhängerschaft beliebten zentralen Großveranstaltungen gelungen, sich dem Vor-Pandemie-Niveau wieder anzunähern. So nahmen zum Beispiel an einer Großkundgebung anlässlich des kurdischen Neujahrsfests Newroz im März 2022 in Frankfurt am Main 17.000 Personen teil. Darüber hinaus organisierte die PKK im Berichtszeitraum zahlreiche Demonstrationen im Bundesgebiet, insbesondere gegen türkische Militäroperationen in den kurdischen Siedlungsgebieten.

Der Verfolgungsdruck auf PKK-Funktionäre in Deutschland bleibt weiterhin hoch. So wurden auch 2022 wieder mehrere PKK-Führungskader wegen Unterstützung oder Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung festgenommen oder angeklagt.

„Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C)

Die DHKP-C versuchte 2022, ihre gewohnte Kampagnentätigkeit in Deutschland aufrechtzuerhalten. Thematisch konzentrierte sie sich dabei vor allem auf die Gefangenensolidarität. Die Beteiligung der Anhängerschaft an Propagandaaktivitäten wie Standkundgebungen, Demonstrationen und internen Zusammenkünften war jedoch deutlich rückläufig.

Die 1994 gegründete DHKP-C strebt auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus die Errichtung eines sozialistischen Gesellschaftssystems durch gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei an. In Deutschland unterliegt die DHKP-C seit 1998 einem Organisationsverbot. Von der EU ist sie seit 2002 und von den USA bereits seit 1997 als terroristische Organisation gelistet. Aus diesem Grund tritt die DHKP-C in Deutschland ausschließlich unter Tarnbezeichnungen wie „Volksfront“ („Halk Cephesi“) oder „Volksrat“ („Halk Meclisi“) sowie über ihre Jugendorganisation „Revolutionäre Jugend“ („Dev Genç“) in Erscheinung. Örtliche Strukturen verwenden unverfängliche Namen, wie „Halk Kültür Evi“ („Kulturhaus des Volkes“), „Yorum Kültür Evi“ oder „Dayanişma Evi“ („Solidaritätshaus“).

Im Mai 2022 wurden eine hochrangige Funktionärin und zwei weitere Führungsfunktionäre der DHKP-C in Deutschland festgenommen. Hintergrund sind drei Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung. Die Festnahmen haben die zuvor schon personell schlecht aufgestellten Leitungs- und Vereinsstrukturen der DHKP-C in Deutschland weiter geschwächt und die Anhängerschaft stark verunsichert.

Eines der wichtigsten Propagandainstrumente der DHKP-C ist nach wie vor die „Grup Yorum“. Die Popularität der Musikgruppe erschließt der Organisation eine über die eigene Anhängerschaft hinausgehende Zielgruppe potenzieller Unterstützer. Abgesehen von kleineren Auftritten bei demonstrativen Aktionen gelang es „Grup Yorum“ seit 2020 nicht mehr, größere Konzertveranstaltungen in Deutschland durchzuführen.

Türkischer Rechtsextremismus („Ülkücü“-Bewegung)

Logo der Ülkücü Bewegung.

Von den etwa 12.100 in Deutschland lebenden Anhängerinnen und Anhängern der „Ülkücü“-Bewegung sind etwa 10.500 in drei großen Dachverbänden organisiert. Diese vertreten in unterschiedlicher Ausrichtung die verschiedenen Ausprägungen der „Ülkücü“-Ideologie. Die Verbände sind in der Außendarstellung um ein gemäßigtes Auftreten bemüht und pflegen ihre rechtsextremistische Ideologie eher nach innen, vor allem in den ihnen zugehörigen Vereinen. Dementsprechend zeigt sich auch die Anhängerschaft bei der Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen sowie beim Zurschaustellen von „Ülkücü“-Symbolen in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend.

Die rechtsextremistische türkische „Ülkücü“-Bewegung („Idealisten“-Bewegung) entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie fußt auf einer extrem nationalistischen bis rechtsextremistischen Ideologie, die maßgeblich von Elementen wie Rassismus und Antisemitismus geprägt wird. Innerhalb der Bewegung reicht die ideologische Bandbreite vom Bezug auf Mythen aus vorislamischer Zeit über einen nationalistischen Kemalismus bis in den Randbereich des Islamismus. Das Ziel der Bewegung ist die Verteidigung und Stärkung des Türkentums. Als Idealvorstellung gilt die Errichtung von „Turan“ – einem ethnisch homogenen Staat aller Turkvölker unter Führung der Türken. Dafür sollen „Turan“ die Siedlungsgebiete aller Turkvölker einverleibt werden. Je nach ideologischer Lesart erstrecken sich diese vom Balkan bis nach Westchina oder Japan.

Neben der verbandlich organisierten „Ülkücü“-Anhängerschaft werden etwa 1.600 Personen weiteren „Ülkücü“-Kleinststrukturen sowie der unorganisierten „Ülkücü“-Bewegung zugerechnet. Unorganisierte Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung leben ihre meist rassistischen oder antisemitischen Feindbilder dagegen häufig offen aus, etwa in den sozialen Medien, aber auch beim öffentlichen Aufeinandertreffen mit ihren politischen Gegnern, beispielsweise PKK-Anhängern. Insbesondere beim Aufeinandertreffen am Rande von Demonstrationen zeigt sich das hohe Gewaltpotenzial in der unorganisierten Szene.

Symbol und bekanntestes Erkennungszeichen der „Ülkücü“-Bewegung ist der „Graue Wolf“ („Bozkurt“) und der daraus abgeleitete sogenannte Wolfsgruß, bei dem die Finger der rechten Hand am ausgestreckten Arm den Kopf eines Wolfes formen. Oft werden Anhängerinnen und Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung daher auch als „Graue Wölfe“ („Bozkurtlar“) bezeichnet.

Antisemitismus im auslandsbezogenen Extremismus

Im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland nimmt Antisemitismus vor allem im türkischen Rechtsextremismus und bei extremistischen Palästinensern eine relevante Rolle ein. Bei anderen auslandsbezogenen extremistischen Strukturen ist Antisemitismus dagegen kein ideologisches Kernelement – häufig schon aufgrund fehlender regionaler, religiöser oder politischer Berührungspunkte. Dennoch kommt es auch bei türkischen Linksextremisten anlassbezogen zu israelfeindlichen Stellungnahmen, die jedoch nicht vorherrschend auf Religion und Ethnie, sondern auf den Territorialkonflikt mit den Palästinensern abstellen. Das BfV hat im April 2022 ein aktualisiertes, phänomenübergreifendes Lagebild „Antisemitismus 2020/21“ veröffentlicht, das einen Gesamtüberblick über die verfassungsschutzrelevanten Ausprägungen des Antisemitismus in Deutschland gibt.


Nach Ausschreitungen auf dem Jerusalemer Tempelberg und Raketenangriffen militanter Palästinenser auf Israel kam es im April 2022 auch in Deutschland zu propalästinensischen Protesten. Solche Kundgebungen erreichen schnell drei- bis vierstellige Teilnehmerzahlen. Bei mehreren Veranstaltungen in Berlin kam es zu antisemitischen und völkerverständigungswidrigen Bekundungen sowie zu gewaltsamen Ausschreitungen. Während einer Demonstration am 18. April 2022, dem „Tag der palästinensischen Gefangenen“, an dem Palästinenser weltweit ihre Solidarität mit palästinensischen Inhaftierten in israelischen Gefängnissen zum Ausdruck bringen, mit rund 700 Teilnehmenden wurden ein Polizeifahrzeug beschädigt sowie Polizisten mit Steinen und Flaschen beworfen. Bei einer Demonstration am 23. April 2022 herrschte teils eine aggressive Grundstimmung, die sich unter anderem gegenüber anwesenden Journalisten entlud. Diese wurden im Verlauf des Demonstrationszugs antisemitisch beleidigt und körperlich angegriffen.

In Berlin wurde am 23. April 2022 ein großer Protest organisiert. Viele der Teilnehmer kamen mit palästinensischen Fahnen und trugen traditionelle Kaffiyeh-Schals.
picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Kuenne

Zudem wurden Polizisten mit Holzstangen und Plakaten attackiert. Neben dem Rufen antisemitischer Parolen wurden auch Darstellungen gezeigt, die dem Staat Israel das Existenzrecht absprechen. So gab es Plakate mit einem Staat „Palästina“ ohne die Grenzen Israels und es wurden Schilder mit der Aufschrift „From the River to the Sea, Palestine will be free“ gezeigt. Bei entsprechenden Anlässen muss auch hierzulande weiterhin mit Straftaten oder Äußerungen dieser Art gerechnet werden.

0 :Straftaten im auslandsbezogenen Extremismus hatten im Jahr 2022 einen antisemitischen Bezug.

Im Jahr 2022 wiesen 58 Straftaten (2021: 122) einen antisemitischen Bezug auf, darunter waren neun Körperverletzungen (2021: 3) und 24 Volksverhetzungen (2021: 58) zu verzeichnen.

Aktualisierung am 2.11.2023: Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat am 2. November 2023 die Betätigung der Terrororganisation HAMAS und des internationalen Netzwerks „Samidoun – Palestinian Solidarity Network“ in Deutschland verboten. Die Teilorganisation „Samidoun Deutschland“, auch agierend unter den Bezeichnungen „HIRAK – Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany)“ und „Hirak e.V.“ ist verboten und wird aufgelöst. Weitere Informationen