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Rechtsextremismus und rechtsextremistischer Terrorismus.

Die Aufnahme zeigt einen schreiend posierenden Skinhead

Personenpotenzial

Das rechtsextremistische Personenpotenzial umfasste Ende 2023 nach Abzug von Mehrfachzuordnungen 40.600 Personen (2022: 38.800). Die Zahl der Rechtsextremisten, die als gewaltorientiert eingestuft werden, ist auf 14.500 Personen (2022: 14.000) angestiegen.

Rechtsextremismuspotenzial1

2021

2022

2023

In Parteien11.80015.50016.300
In parteiunabhängigen beziehungsweise parteiungebundenen Strukturen28.5008.5008.500
Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial315.00016.00017.000
Summe35.30040.00041.800
Summe nach Abzug von Mehrfachzuordnungen33.90038.80040.600
Davon gewaltorientierte Rechtsextremisten13.50014.00014.500

1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet.
2 Hierunter wird unter anderem das Personenpotenzial der Beobachtungsobjekte „COMPACT-Magazin GmbH“, „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD), „PI-NEWS“, „Institut für Staatspolitik“ (IfS), „Ein Prozent e.V.“ und „Antaios-Verlag“ (Verdachtsfall) sowie der Teil von insgesamt 1.350 rechtsextremistischen „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ gezählt, der parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen zuzurechnen ist.
3 Hierzu zählt im Berichtsjahr der Teil von insgesamt 1.350 rechtsextremistischen „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“, der keiner festen Struktur zuzurechnen ist.

Straf- und Gewalttaten

0 :rechtsextremistische Straf- und Gewalttaten gab es im Jahr 2023.

Die Gesamtzahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten stieg im Vergleich zum Vorjahr um 22,4 % (2022: 20.967; 2023: 25.660). Propagandadelikte (15.081) bildeten wiederum mit 58,8 % den Hauptanteil der rechtsextremistischen Straftaten. Im Vergleich zum Vorjahr stieg im Berichtsjahr die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten um 13,0 % (2022: 1.016; 2023: 1.148). Körperverletzungsdelikte (1.016 Körperverletzungen) bildeten mit 88,5 % an der Gesamtzahl der Gewaltdelikte den größten Anteil und bewegten sich somit in etwa auf dem gleichen prozentualen Niveau des Vorjahrs (2021: 86,5 %, 879).

Entwicklung der rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten 2021 bis 2023

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Mehr zum Thema: „Zahlen und Fakten“

Instrumentalisierung von Krisen

Am Beispiel des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktober 2023 auf den Staat Israel wurde im Berichtsjahr erneut deutlich, wie Rechtsextremisten Krisen instrumentalisieren, um die eigenen Narrative zu verbreiten. So wurde von einigen Akteuren angesichts propalästinensischer Demonstrationen in Deutschland von einem „Import“ des Konflikts gesprochen und Migration pauschal als Wurzel gesellschaftlicher und sozialer Probleme in Deutschland dargestellt.
Aber auch vor dem Hintergrund steigender Zahlen von Flüchtlingen und in Ermangelung anderer Agitationsfelder gewann der Themenkomplex „Migration und Asyl“ wieder an Bedeutung für Rechtsextremisten. In diesem Zusammenhang konnte im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls ein deutlicher Anstieg von rechtsextremistischen Gewalttaten gegen Asylunterkünfte beobachtet werden.

Seit dem Beginn des militärischen Angriffs Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 griffen Rechtsextremisten die in der Folge entstandenen wirtschaftlichen Verwerfungen, die in Deutschland zu steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten führten, in politischen Kampagnen und Mobilisierungsaufrufen auf. Nachdem zu Beginn des Berichtsjahrs die Themen Energie- und Wirtschaftskrise an Mobilisierungspotenzial eingebüßt hatten, versuchten sich Rechtsextremisten vor dem Hintergrund ihrer mehrheitlich prorussischen Einstellung und der damit verbundenen Ablehnung deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine als Friedensaktivisten zu inszenieren. Insgesamt blieb über das Berichtsjahr hinweg das Ausmaß der Proteste jedoch weit hinter dem Demonstrationsgeschehen zu Hochzeiten der Coronapandemie und damit hinter den Erwartungen der rechtsextremistischen Szene zurück.

Vereinsverbote und Ankündigungen vermeintlicher Selbstauflösungen

Mit Wirkung vom 19. September 2023 hat die Bundesinnenministerin die rechtsextremistische Vereinigung „Hammerskins Deutschland“, einschließlich ihrer regionalen Chapter sowie ihre Teilorganisation „Crew 38“, mit insgesamt etwa 130 Mitgliedern verboten.

Die Vereinigung richtete sich durch eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung und lief den Strafgesetzen durch die Ermöglichung von Straftaten wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) zuwider.

Ideologische Schwerpunkte der „Hammerskins Deutschland“ waren der Schutz der „weißen arischen Rasse“ und der Kampf gegen eine propagierte „Umvolkung“.


Logo der „Artgemeinschaft“ (verboten)
Logo „Artgemeinschaft“ (verboten)

Mit Wirkung vom 27. September 2023 hat die Bundesinnenministerin die rechtsextremistische Organisation „Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.“, deren Teilorganisation „Familienwerk e.V.“ sowie sämtliche Regionalgruppen mit einem Gesamtpersonenpotenzial im niedrigen dreistelligen Bereich verboten. Grundlage für das Verbot war die Ausrichtung der Gruppierung gegen die verfassungsmäßige Ordnung durch eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung.

Drei weitere rechtsextremistische Gruppierungen reagierten auf die vorgenannten Verbote, indem sie öffentlich ihre Selbstauflösung bekannt gaben. Dabei handelte es sich um die neonazistische Gruppierung „Arische Bruderschaft“ mit allen damit zusammenhängenden Gruppierungen, darunter unter anderem „Brigade 12“ und „Kameradschaft Northeim“, die rechtsextremistische Gruppierung „Brothers of Honour“ sowie das rechtsextremistische Netzwerk „Initiative Zusammenrücken“, das seit 2020 für einen Umzug von Rechtsextremisten aus westlichen Bundesländern in den Osten Deutschlands warb. Es bleibt jedoch zu prüfen, ob die Gruppierungen sich tatsächlich aufgelöst und die Aktivitäten eingestellt haben oder ob es sich bei den Verlautbarungen lediglich um ein taktisches Agieren zur Vermeidung staatlicher Maßnahmen handelt.

Rechtsextremistische „Erlebniskultur“: Musik, Kampfsport und Fußball

Auch im Berichtsjahr stellte die Teilnahme an rechtsextremistischen Musikveranstaltungen – insbesondere für aktionsorientierte Angehörige der subkulturellen rechtsextremistischen Szene – einen wichtigen Teil der rechts-extremistischen „Erlebniskultur“ dar. Insgesamt erreichte die Zahl der rechts-extremistischen Musikveranstaltungen in Deutschland im Jahr 2023 einen Höchststand. Ausschlaggebend dafür waren überwiegend kleinere Veranstaltungen wie Liederabende und Szenefeiern mit Livemusik. Die Zahl der Konzerte blieb dagegen verhältnismäßig gering, die durchschnittliche Besucherzahl war stark rückläufig. Es fehlten auch im Jahr 2023 weiterhin die besucherstarken und öffentlichkeitswirksamen Musikgroßveranstaltungen, welche zuletzt im Jahr 2019 stattgefunden hatten.

Entwicklung der rechtsextremistischen Musikveranstaltungen in den Jahren 2021 bis 2023

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Das Plakat zeigt einen Boxer mit dem Schriftzug „European Fight Night 2023“

Es gelang der rechtsextremistischen Kampfsportszene auch im Jahr 2023 nicht, in Deutschland eigene publikumswirksame Kampfsportveranstaltungen durchzuführen. Wohl auch aufgrund behördlicher Maßnahmen war vielmehr festzustellen, dass Rechtsextremisten vermehrt an nicht extremistischen Kampfsportveranstaltungen teilnahmen.

Die unter der federführenden Organisation des rechtsextremistischen Kampfsportformats „Kampf der Nibelungen“ (KdN) geplante „European Fight Night“ konnte jedoch mit einigen Einschränkungen unter vergleichsweise hoher Beteiligung deutscher Rechtsextremisten am 6. Mai 2023 in Ungarn mit rund 150 Besuchern durchgeführt werden. Zwar dürften die Besucherzahlen hinter den Erwartungen des Veranstalters zurückgeblieben sein, jedoch wird durch veröffentlichtes Bild- und Videomaterial auf einschlägigen Social-Media-Kanälen ein weitaus größeres Publikum erreicht und die Marke KdN als „Lifestyle“ vermarktet

Mehr zum Thema: „Rechtsextremistische Erlebniswelt: Musik und Kampfsport“

Gefahr rechtsterroristischer Ansätze

Rechtsextremistisch motivierte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und eine in den letzten Jahren verstärkt im Internet stattfindende Radikalisierung bilden die Basis für rechtsextremistischen Terrorismus. Dabei spielt vor allem eine fremdenfeindliche Motivation eine herausragende Rolle für rechtsextremistische Taten. Mit den seit 2021 wieder ansteigenden Zahlen irregulärer Migration nach Deutschland besitzt dieses Thema ein hohes, weiter wachsendes Mobilisierungspotenzial in der rechtsextremistischen Szene.

Diese Entwicklung kann schließlich rechtsterroristische Taten nach sich ziehen. So drohen einige Rechtsextremisten sogar explizit damit, bei ausbleibenden Veränderungen in der Migrationspolitik selbst gegen die von ihnen behauptete „Überfremdung“ vorzugehen.

Anhaltende Gefahr selbstradikalisierter Täter

Bei der Ideologisierung und Radikalisierung von Rechtsextremisten im virtuellen Raum spielen soziale Netzwerke, Messengerdienste, Imageboards und Internetplattformen wie Telegram, innerhalb derer Gewalt- und Anschlagsfantasien offen geteilt, befürwortet und potenziell gefördert werden, weiterhin die bedeutendste Rolle. Eine besondere Herausforderung für die Sicherheitsbehörden stellen selbstradikalisierte Täter dar, die ohne erkennbare Anbindung an bereits bekannte rechtsextremistische Szenestrukturen agieren.

Dabei ist die Zunahme sowohl auffällig junger als auch besonders gewaltaffiner Akteure der sogenannten Attentäter-Fanszene, welche ebenfalls Bezüge zum rechtsextremistischen Akzelerationismus (Siege-Szene) aufweisen, besonders besorgniserregend. Hierbei nehmen Chatgruppen in Messengerdiensten und Foren, innerhalb derer Gewalt- und Anschlagsfantasien offen geteilt, befürwortet und potenziell gefördert werden, eine zentrale Rolle ein.

Rechtsextremistisches Parteienspektrum

Während im Berichtsjahr die AfD (Verdachtsfall) in Wahlumfragen weiter an Zustimmung gewann, spielte ein Großteil der rechtsextremistischen Parteien bei Wahlen keine Rolle. Nichtsdestoweniger leisteten ihre Organisationsstrukturen weiterhin einen wichtigen Beitrag für die interne Vernetzung und den inneren Zusammenhalt der rechtsextremistischen Szene.

Seit ihrem Bundesparteitag am 3. Juni 2023 in Riesa (Sachsen) trägt die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) mit „Die Heimat“ einen neuen Namen, nachdem die Umbenennung auf dem Parteitag 2022 noch die notwendige Mehrheit verfehlt hatte. Programmatisch und ideologisch bleibt „Die Heimat“ dagegen ihren Überzeugungen treu: Wie zahlreiche Funktionäre im Nachgang zur Umbenennung betonten, bedeute der Namenswechsel keineswegs eine Anpassung an das politische System oder eine inhaltliche Mäßigung.

Das 2010 beschlossene Parteiprogramm bleibt demnach unangetastet. In dem seit 2019 laufenden Verfahren zum Ausschluss der NPD, nunmehr Partei „Die Heimat“, von der staatlichen Parteienfinanzierung fand am 4. Juli 2023 die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht statt.

Der bereits in den Vorjahren deutlich wahrnehmbare Niedergang der Partei „DIE RECHTE“ hat sich auch im Berichtsjahr weiter fortgesetzt. Der Bedeutungsverlust zeigt sich einerseits darin, dass kaum noch öffentlichkeitswirksame Aktionen stattfanden, zum anderen musste die Partei auch massive personelle Verluste und den Verlust von Organisationsstrukturen verkraften. Mit dem im Januar 2023 erfolgten Übertritt maßgeblicher Teile des wichtigsten Landesverbands Nordrhein-Westfalen in die Partei „Die Heimat“ und der gleichzeitigen Auflösung des Landesverbands selbst, verlor „DIE RECHTE“ den Kern ihrer ohnehin schon schwindenden Strukturen. Der wichtigste Kreisverband Dortmund verließ personell nahezu geschlossen die Partei.

Im Jahr 2023 setzte die Partei „Der III. Weg“ den vom Bundesvorsitzenden vorangetriebenen Strukturausbau fort. Mit den zwei neu gegründeten sogenannten Stützpunkten „Kurhessen“ (Nordhessen) und „Nord/Ost“ (Mecklenburg-Vorpommern) verfügt die Partei nun über insgesamt 24 dieser lokalen Untergliederungen. Zusätzlich zu den drei bestehenden Landesverbänden Bayern, Sachsen und West (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz) wurde im Frühjahr des Berichtsjahrs der Landesverband Brandenburg gegründet, dessen Vorsitz der Bundesvorsitzende in Personalunion übernahm. Damit wurde die formale Voraussetzung zur Teilnahme an der dortigen Landtagswahl und den Kommunalwahlen im Jahr 2024 geschaffen.

Ihren Fokus legte die Partei 2023 verstärkt auf die Nachwuchswerbung. Dafür wurde die „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ), die Jugendorganisation der Partei „Der III. Weg“, strukturell weiter ausgebaut. Sie soll Jugendliche durch zielgruppenorientierte Aktionen und Veranstaltungen an die Partei und deren Ideologie heranführen und darüber hinaus auch zukünftige Kader heranziehen. Die Kontaktanbahnung erfolgt dabei sowohl bei tatsächlichen Treffen als auch niederschwelliger über diverse soziale Medien. Insbesondere TikTok wird zunehmend für die Verbreitung von Propagandaclips der NRJ und von „Der III. Weg“ genutzt.

Logo „Freie Sachsen“

Die Regionalpartei „Freie Sachsen“ spielte auch im Berichtszeitraum eine signifikante Rolle im Demonstrationsgeschehen im Bundesland Sachsen. Dabei war eine deutliche Verlagerung der für die „Freien Sachsen“ relevanten Agitationsthemen zu erkennen. Wohl auch veranlasst durch eine abnehmende Mobilisierungsfähigkeit und das Ausbleiben großer Massenproteste im Zusammenhang mit den Themen Energiekrise und Inflation, fokussierte die Partei sich im Verlauf des Berichtjahrs zunehmend und zum Jahresende fast ausschließlich auf den Themenkomplex „Migration und Asyl“.

Die „Freien Sachsen“ setzten im Berichtszeitraum außerdem weiter auf ihre bekannte Vernetzungsstrategie. Die Partei toleriert und fördert Doppelmitgliedschaften, sodass sich Akteure anderer rechtsextremistischer Organisationen wie beispielsweise der rechtsextremistischen Vereinigung „Pro Chemnitz“ oder der Partei „Die Heimat“ (vormals NPD) häufig unter dem Banner der „Freien Sachsen“ betätigten. Sowohl der sogenannte Säxit als auch monarchistische Positionen gehören zu den wenigen ideologischen Grundpositionen der Partei. Die „Freien Sachsen“ zeigen sich so nicht nur gegenüber dem klassischen Rechtsextremismus, sondern auch gegenüber „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ anschlussfähig.

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Köln aus dem März 2022, mit der die vom BfV im Februar 2021 vorgenommene Einstufung der „Alternative für Deutschland“ (AfD) als rechtsextremistischer Verdachtsfall aufgrund des Vorliegens ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bestätigt worden war, hat die AfD Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen eingelegt.

Im Jahr 2023 wuchs die Partei nach eigener Aussage auf 40.131 Mitglieder. Es besteht weiterhin eine – wenn auch signifikant abnehmende – Heterogenität innerhalb der Partei, sodass nicht alle Parteimitglieder als Anhänger extremistischer Strömungen betrachtet werden können. Ausgehend von den Abstimmungsergebnissen im Rahmen der am 29. und 30. Juli sowie vom 4. bis 6. August 2023 in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) abgehaltenen Europawahlversammlung sowie aufgrund von Äußerungen von Parteifunktionären beträgt das extremistische Personenpotenzial innerhalb der AfD (Verdachtsfall) etwa 11.000 Personen.

In Verlautbarungen der AfD (Verdachtsfall) und ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten kommt vielfach ein völkisch-abstammungsmäßig geprägtes Volksverständnis zum Ausdruck, das im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes steht. Darüber hinaus fanden sich auch im Berichtsjahr zahlreiche fremden- und muslimfeindliche Positionen in den Verlautbarungen der AfD (Verdachtsfall). Insbesondere Asylsuchenden und Migrantinnen und Migranten aus islamisch geprägten Herkunftsländern wurden oftmals pauschal eine kulturelle Inkompatibilität und ein ausgeprägter Hang zur Kriminalität unterstellt. So warnte ein Bundesvorstandsmitglied der AfD (Verdachtsfall) im Juli 2023 vor Migration „aus einem kulturfremden Kontext, aus gewaltbereiten Kulturen“ und erklärte:

„Messerkriminalität zum Beispiel. Es ist uns in unserer Kultur völlig unbekannt. Das gab es nicht. Das Phänomen gibt es bei uns nicht. Das gibt es in den Kulturkreisen in Afrika und im Nahen Osten, um es mal ganz klar zu sagen. Und wenn sie diese Leute aus gewaltbereiten Gesellschaften in ihr Land lassen, (…) ja, dann kommt es zu einem Clash, Clash of Cultures.“
(Videoportal YouTube, 9. Juli 2023)


Innerhalb der AfD (Verdachtsfall) waren auch im Jahr 2023 von zahlreichen AfD-Funktionären und -Mandatstragenden gefestigte Verbindungen zu Akteuren und Organisationen des extremistischen Teils der Neuen Rechten feststellbar. Dabei handelt es sich nicht um zufällige, sondern um strukturelle Verbindungen innerhalb eines strategisch agierenden Netzwerks.

Die 2013 gegründete „Junge Alternative“ (JA) ist die offizielle Jugendorganisation der AfD (Verdachtsfall). Sie gliedert sich in 16 Landesverbände und hatte Ende 2023 laut eigenen Angaben rund 4.000 Mitglieder. Die JA wurde seit Januar 2019 vom BfV zunächst als Verdachtsfall bearbeitet. Das VG Köln (Nordrhein-Westfalen) bestätigte diese Einstufung im März 2022.

Nach Feststellung des VG Köln liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine zentrale politische Zielvorstellung der JA der Erhalt des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand sei und ethnisch „Fremde“ nach Möglichkeit ausgeschlossen bleiben sollten. Ein dergestalt völkisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff verstoße gegen die Menschenwürde. Führende Funktionäre der JA vertreten auch nach der Entscheidung des VG entsprechende Positionen. Die JA und die AfD (Verdachtsfall) haben gegen das Urteil Berufung beim OVG Nordrhein-Westfalen eingelegt.

(Mit Urteil vom 13. Mai 2024 hat das OVG die Berufung zurückgewiesen (5 A 1217/22). Die Revision wurde nicht zugelassen; hiergegen kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden).

Im April 2023 stufte das BfV die JA als gesichert extremistische Bestrebung ein. Hiergegen erhob die JA am 12. Juni 2023 Klage und begehrte Eilrechtsschutz beim VG Köln. Mit Stillhaltezusage gegenüber dem VG vom 14. Juni 2023 hatte das BfV erklärt, die Einstufung der JA als gesichert extremistische Bestrebung bis zu einer Entscheidung der beschließenden Kammer im Eilverfahren vorläufig auszusetzen, die JA einstweilen lediglich als Verdachtsfall zu bearbeiten und sie bis zur Entscheidung nicht öffentlich als gesichert extremistische Bestrebung zu bezeichnen.

(Das VG Köln hat im Eilverfahren am 5. Februar 2024 beschlossen, dass die Einstufung der JA als gesichert extremistische Bestrebung durch das BfV nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist. Daher wird die JA seit dem 5. Februar 2024 vom BfV wieder als gesichert extremistische Bestrebung bearbeitet. Gegen den Beschluss haben die JA und die AfD (Verdachtsfall) Beschwerde beim OVG Nordrhein-Westfalen eingereicht. Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus, ebenso wie die Entscheidung des OVG über die Beschwerde.)

Rechtsextremistische Akteure der Neuen Rechten

Unter die Bezeichnung Neue Rechte wird ein informelles Netzwerk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen gefasst, in dem national- konservative bis rechtsextremistische Kräfte zusammenwirken, um anhand unterschiedlicher Strategien teilweise antiliberale und antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen. Akteure der Neuen Rechten versuchen, Einfluss auf den vorpolitischen Raum zu nehmen, um ihre antidemokratischen Positionen politisch zu verwirklichen. Innerhalb des Netzwerks füllen diese Akteure unterschiedliche und teils komplementäre Rollen aus. Gemeinsames Ziel ist eine „Kulturrevolution von rechts“.

Das Bild zeigt den Titel des Magazins Compact
Logo „Compact“

Die Vernetzung der Akteure der Neuen Rechten spiegelt sich auch in ihrem jeweiligen Selbstbild als Strategen (im April 2024 aufgelöstes „Institut für Staatspolitik“, IfS), Meinungsmacher („COMPACT-Magazin GmbH“), Netzwerker („Ein Prozent e.V.“), Verleger („Verlag Antaios“) oder Aktivisten (IBD) wider. Zudem sind Verbindungen des IfS, von „Ein Prozent e.V.“ sowie der „COMPACT-Magazin GmbH“ in das Parteienspektrum, insbesondere zur „Alternative für Deutschland“ (AfD, Verdachtsfall) und deren Jugendorganisation „Junge Alternative für Deutschland“ (JA) bekannt. Es bestehen auch Kooperationen der Neuen Rechten mit den „Freien Sachsen“.

Mehr zum Thema: „Das Netzwerk der Neuen Rechten“