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„Samidoun – Palästinensisches Gefangenensolidaritätsnetzwerk“

(Dezember 2023)

Betätigungs- und Organisationsverbot

Am 2. November 2023 hat die Bundesinnenministerin die Betätigung des internationalen „Samidoun – Palestinian Prisoner Solidarity Network“ (kurz: „Samidoun“) in Deutschland verboten. Die Teilorganisation „Samidoun Deutschland“, auch agierend unter den Bezeichnungen „HIRAK – Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany)“ und „Hirak e.V.“, wurde verboten und aufgelöst.

„Das Abhalten spontaner ‚Jubelfeiern‘ hier in Deutschland in Reaktion auf die furchtbaren Terroranschläge der HAMAS gegen Israel zeigt das antisemitische, menschenverachtende Weltbild von Samidoun auf besonders widerwärtige Weise. (…)

Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz – egal von wem er ausgeht. Wir werden ihn in all seinen Formen mit der ganzen Härte des Rechtstaats auch weiterhin bekämpfen.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (Quelle: www.bmi.bund.de, 2. November 2023)

Link zur Kurzmeldung: Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht Verbote gegen die Terrororganisation HAMAS sowie das Netzwerk „Samidoun“ aus

Mit dem Verbot ist das öffentliche Auftreten unter der Bezeichnung oder die Betätigung für „Samidoun“ untersagt. Die für Propaganda und Mobilisierung so wichtigen Social Media-Kanäle auf den einschlägigen Plattformen wurden abgeschaltet beziehungsweise sind in Deutschland gesperrt. Mit der Verfügung wurde zudem das Verwenden der Kennzeichen von „Samidoun“ untersagt, was insbesondere die nachfolgend aufgeführten Symbole betrifft:

Logo von „Samidoun“

Fahnen von „Samidoun“ und das Logo von der Jugendorganisation „Hirak – Palästinensische Jugendbewegung“

„Samidoun“ hat gegen die Verbotsverfügung Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben.

Hintergrund zu „Samidoun“

Das internationale palästinensische Gefangenensolidaritätsnetzwerk „Samidoun“ wurde im Jahr 2011 von im Ausland ansässigen Mitgliedern der Terrororganisation „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) gegründet. Anlass waren Hungerstreiks von in Israel inhaftierten PFLP-Angehörigen, mit denen sie ihre Haftbedingungen verbessern wollten. Seither konzentriert sich „Samidoun“ primär auf die Forderung nach der Freilassung von Palästinenserinnen und Palästinensern, die – häufig aufgrund von Verbindungen zu Terrorismus beziehungsweise zur terroristischen PFLP – inhaftiert sind. Neben der Unterstützung terroristischer Vereinigungen lehnt „Samidoun“ das Existenzrecht Israels ab und fordert die Errichtung eines einheitlichen palästinensischen Staates, der das Staatsgebiet Israels mit umfasst.

Logo der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP)

Die PFLP wurde 1967 gegründet. Seit 2002 ist die PFLP von der EU als Terrororganisation gelistet. Die PFLP bestreitet das Existenzrecht Israels und propagiert offen den bewaffneten Kampf gegen Israel. Ihre antisemitische Agitation ist stark antizionistisch geprägt. Die PFLP verfolgt das Ziel des Aufbaus eines palästinensischen Staates in den Grenzen des historischen Palästina vor Gründung des modernen Staates Israel mit Jerusalem als Hauptstadt. Dieses Ziel soll durch die Beseitigung der „zionistischen Besatzung“ realisiert werden. Dazu propagiert die PFLP den bewaffneten Kampf und sucht den Schulterschluss mit anderen den Staat Israel bekämpfenden Organisationen, wie HAMAS und „Hizb Allah“. In Deutschland ist die PFLP nicht terroristisch tätig. Die hier aktiven Anhängerinnen und Anhänger verbreiten insbesondere israelfeindliche Propaganda und versuchen, politische Unterstützung sowie Spenden zur Unterstützung ihrer Strukturen und des bewaffneten Kampfes in Nahost zu generieren.

Ideologisch entsprechen die Positionen von „Samidoun“ denen der PFLP, die zunächst als Dachorganisation für marxistisch-leninistische und
arabisch-nationalistische Organisationen gegründet wurde und nach ihrer Selbstsicht nicht nur für die Befreiung anderer arabischer Staaten von reaktionären Regimen kämpft, sondern auch für die Zerschlagung des Zionismus und gegen den westlichen Imperialismus. In Israel ist „Samidoun“ als Teil des Auslandsnetzwerkes der terroristischen PFLP seit 2021 als Terrororganisation eingestuft.

Der Hauptsitz von „Samidoun“ liegt in den USA. Das Netzwerk ist in Form sogenannter Chapter organisiert und vor allem in Nordamerika und Europa aktiv. Eigenangaben zufolge gibt es derzeit rund zwanzig „Samidoun“-Chapter. In Deutschland ist das Chapter „Samidoun Deutschland“ auch unter der Bezeichnung seiner Jugendbewegung „Hirak – Palästinensische Jugendbewegung“ aktiv. Hierzulande umfassen die Führungsriege und der feste Mitgliederstamm etwa 50 Personen. Die Zahl der Sympathisanten und das Mobilisierungspotenzial, beispielsweise für Versammlungen, gehen jedoch weit darüber hinaus. Zuspruch finden das Netzwerk und seine Positionen dabei nicht nur bei extremistischen palästinensischen Einzelpersonen, sondern auch bei türkischen Rechtsextremisten sowie im antiimperialistisch beziehungsweise dogmatisch geprägten deutschen und türkischen Linksextremismus.

„Samidoun“ in Deutschland

In Deutschland tritt „Samidoun“ seit 2019 öffentlich in Erscheinung. Seitdem sind die vor allem in Berlin sowie auch in Nordrhein-Westfalen sichtbaren Strukturen des Netzwerks immer wieder bei propalästinensischen Demonstrationen aufgefallen. Hierbei kam es neben antisemitischen und israelfeindlichen Äußerungen und Darstellungen auch zu Ausschreitungen und gewalttätigen Angriffen auf die Polizei.

Das hohe Vernetzungs- und Mobilisierungspotenzial nutzt „Samidoun“ bei diesen Versammlungen sowie vor allem auch im Internet zur Mitgliederwerbung, Spendensammlung sowie zur Verbreitung von Propaganda und Falschinformationen. Über die sozialen Medien konnten Personen weit über die eigene Mitgliederschaft hinaus erreicht und mobilisiert werden.

Die Aktivitäten richteten sich dabei explizit auch an das deutschsprachige Publikum, insbesondere wenn zu Aktionen in Deutschland und mit Bezug zu Deutschland aufgerufen wurde. Hierbei bediente sich „Samidoun“ einzelner Personen, die vor Ort über die notwendige Vernetzung verfügten.

Personen auf einer Demonstration am 18. Oktober 2023 in Berlin mit einem Schild „From the river to the sea, Palestine will be free“.
picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Kuenne Personen auf einer Demonstration am 18. Oktober 2023 in Berlin mit einem Schild „From the river to the sea, Palestine will be free“.

Auch bei „Samidoun Deutschland“ manifestiert sich der politische Extremismus in der Ablehnung des Existenzrechts Israels. Im Internet und bei Versammlungen propagieren Anhänger und Sympathisanten von „Samidoun“ die Errichtung eines eigenen Staates Palästina „vom Fluss bis zum Meer“ – häufig ausgedrückt durch einen Umriss der Landkarte eines „Palästina“ ohne Israel oder durch die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“. Das Staatsgebiet soll also das Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer und damit das Hoheitsgebiet des Staates Israel umfassen. Als Kennzeichen von „Samidoun“ ist die Parole nun ebenfalls verboten.

Auf diese Weise agiert „Samidoun“ gegen den Gedanken der Völkerverständigung und untergräbt das grundlegende Anliegen der Bundesrepublik Deutschland, die Sicherheit des Staates Israel und seiner Bürgerinnen und Bürger sowie des jüdischen Lebens – sowohl in Israel wie auch in Deutschland – zu gewährleisten.

„Samidoun“ befürwortet Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange und ruft diese durch eigene Agitation hervor. So hieß es seitens des Netzwerks nur wenig verklausuliert in der Vergangenheit immer wieder in Bezug auf den Einsatz von Gewalt und Terror gegen Israel:

„Wie andere kolonisierte und unterdrückte Völker haben auch die Palästinenser das Recht auf Widerstand. Sie haben das Recht, für ihre Freiheit zu kämpfen, auch durch den Einsatz des bewaffneten Kampfes.“ (Samidoun, 21. November 2021)

„Samidoun“-Fahnen bei einer Demonstration zum „Tag der palästinensischen Gefangenen“ am 15. April 2023 in Köln.
picture alliance / NurPhoto | Ying Tang „Samidoun“-Fahnen bei einer Demonstration zum „Tag der palästinensischen Gefangenen“ am 15. April 2023 in Köln.

Mobilisierung durch „Samidoun“

„Samidoun“ hat in den letzten Jahren in Deutschland immer wieder zu propalästinensischen sowie zu israelfeindlichen Versammlungen mobilisiert – zum einen anlassbezogen, zum anderen regelmäßig zu wiederkehrenden Ereignissen wie dem Al Quds“-Tag am Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan, dem „Tag der palästinensischen Gefangenen“ am 17. April oder dem „Nakba“-Tag am 15. Mai. Nach den Terrorangriffen der HAMAS gegen Israel am 7. Oktober 2023 fanden solche Versammlungen unter Beteiligung von „Samidoun“ nahezu täglich statt.

Bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden begrüßte „Samidoun“ die Terrorangriffe der HAMAS und feierte sie durch das Verteilen von Süßigkeiten und Gebäck in Berlin.

Posting auf dem Instagram-Profil von „Samidoun Deutschland“ am 7. Oktober 2023 zum Verteilen von Süßigkeiten auf der Sonnenallee in Berlin, mit dem die Terrorangriffe der HAMAS auf Israel gefeiert wurden.
Instagram Posting auf dem Instagram-Profil von „Samidoun Deutschland“ am 7. Oktober 2023 zum Verteilen von Süßigkeiten auf der Sonnenallee in Berlin, mit dem die Terrorangriffe der HAMAS auf Israel gefeiert wurden.

„Es lebe der Widerstand des palästinensischen Volkes. Verteilen von Süßigkeiten auf der Sonnenallee in Berlin zur Feier des Sieges des Widerstands“ (Samidoun, 7. Oktober 2023)

In den darauffolgenden Wochen verbreitete „Samidoun“ Propaganda der HAMAS sowie Falschinformationen aus dem Gazastreifen oder über nicht stattgefundene Polizeigewalt gegenüber einem palästinensischen Kind in Berlin.

Auswirkungen des Verbots

Das Verbot von „Samidoun“ und die daran anknüpfenden Exekutivmaßnahmen riefen unmittelbar nur wenige Reaktionen bei extremistischen Akteuren aus dem türkischen und deutschen Linksextremismus hervor. Diese erklärten sich im Internet solidarisch mit dem Netzwerk und forderten eine Aufhebung des Verbots. „Samidoun“ hatte jeweils verzögert und nur auf seiner englischsprachigen Internetseite reagiert und die Standhaftigkeit des Widerstands beteuert. Unmittelbare realweltliche Aktionen oder Proteste blieben bislang aus.

Die Sperrung der Social Media-Konten von „Samidoun“ beziehungsweise die überwiegende Nichterreichbarkeit der internationalen Accounts haben dazu geführt, dass „Samidoun“ als solches selbst nicht mehr wirksam in Deutschland Propaganda verbreiten oder zu Versammlungen mobilisieren kann. Seit dem Verbot am 2. November 2023 ist „Samidoun“ auch nicht mehr öffentlich wahrnehmbar in Deutschland in Erscheinung getreten. Fahnen und Symbole des verbotenen Netzwerks sind von Versammlungen verschwunden.