Türkischer Rechtsextremismus - Die „Grauen Wölfe“ in Deutschland
(September 2023)
Die „Ülkücü“-Bewegung
Rechtsextremismus stellt in Deutschland eine der größten Bedrohungen für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar. Kernelemente rechtsextremistischer Agitation – wie ein übersteigerter Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus und Antisemitismus – prägen auch die Ideologie der türkischen „Ülkücü“-Bewegung.
Ihre in Deutschland mehr als 12.000 Anhänger, die „Ülkücüler“ oder auf Deutsch „Idealisten“, sind bislang umgangssprachlich eher als „Graue Wölfe“ (auf Türkisch „Bozkurtlar“) bekannt. Tatsächlich stellt der „Graue Wolf“ das bekannteste Symbol der rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung dar, deren Anhänger sich häufig auch selbst als „Graue Wölfe“ bezeichnen. Daher werden die Begriffe „türkische Rechtsextremisten“, „Ülkücüler“ und „Graue Wölfe“ hier synonym verwendet.
Ursprung der „Ülkücü“-Ideologie
Die Ideologie der rechtsextremistischen türkischen „Ülkücü“-Bewegung entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie ist historisch geprägt und basiert unter anderem auf den Erinnerungen an das ehemalige Osmanische Reich. Die „Ülkücü“-Ideologie fußt dabei auf einer nationalistischen, antisemitischen und rassistischen rechtsextremistischen Ideologie, deren Wurzeln im Panturkismus/Turanismus liegen.
Panturkismus/Turanismus
Der Panturkismus basiert auf der Idee eines gemeinsamen ethnischen Ursprungs aller Turkvölker, verbunden mit dem Bestreben, diese Völker in einer gemeinsamen Heimat, unter Führung der Türken, zu vereinigen. Dieses gemeinsame Reich soll dann die Bezeichnung „Turan“ tragen. Je nach Auffassung könnte sich dieses dann vom Balkan bis nach Westchina oder Japan erstrecken.
Die ideologische Bandbreite der Bewegung reicht von einem nationalistischen Kemalismus bis in den Randbereich des Islamismus. Dabei beinhaltet die Ideologie neben übersteigerten nationalistischen auch antisemitische und rassistische rechtsextremistische Elemente.
Kemalismus
Der Kemalismus, benannt nach Mustafa Kemal Atatürk, wird oft auch als Gründungsideologie der 1923 ausgerufenen Republik Türkei bezeichnet. Deren kennzeichnende Merkmale waren unter anderem der Laizismus, also die strikte Trennung von Staat und Religion, und ein starker Nationalismus, also das Gegenteil des religiös geprägten, multiethischen Osmanischen Reichs. Ferner sollte mit umfangreichen Reformen und der Anlehnung an den Westen der Weg in die Moderne geebnet werden. Auch wenn der Kemalismus im türkischen Rechtsextremismus weit verbreitet ist, so ist dieser für sich genommen nicht als rechtsextremistisch zu bewerten. Bei den meisten Kemalisten handelt es sich nicht um türkische Rechtsextremisten.
Aufbauend auf diesen Aspekten streben die „Grauen Wölfe“ nach dem Großreich „Turan“. Je nach ideologischer Lesart orientiert sich dieses an historischen Grenzen oder geht noch darüber hinaus und soll alle Siedlungsgebiete der Turkvölker umfassen.
So wurde Muhsin Yazוcוoğlu, der Gründer der extrem nationalistischen türkischen „Partei der Großen Einheit“ (BBP) mit den Worten zitiert:
„Ich sehne mich nach einer geeinten türkischen Welt, die von der Adria bis zur chinesischen Mauer reicht.“
(Zitat auf der Facebook-Seite eines ANF-Funktionärs, vom 24. März 2021)
Mit diesen Vorstellungen geht ein extremes Nationalbewusstsein einher, in welchem das Türkentum als übergeordnete Nationalität und Kultur angesehen wird. Ergänzt wird diese ideelle Überlegenheitsvorstellung durch die Herabwürdigung diverser vermeintlicher Gegner des Türkentums, wie beispielsweise Armenier, Griechen, Juden, Kurden oder die USA.
Neben solchen Feindbildern finden sich zum Teil eine nach außen hin zur Schau gestellte Gewaltneigung und Waffenaffinität sowie überwiegend ein ausgeprägter Antisemitismus der Anhängerschaft der „Ülkücü“-Bewegung.
Die „Grauen Wölfe“ in Deutschland
Der Verfassungsschutzverbund geht in Deutschland von etwa 12.100 Personen aus, die der „Ülkücü“-Bewegung und ihrer Ideologie zuzuordnen sind.
Davon ist der überwiegende Teil - etwa 10.500 Anhänger - in Vereinen organisiert, die wiederum unter dem Dach größerer Verbände zusammengeschlossen sind.
Mehr zum Thema: „Zahlen und Fakten im auslandsbezogenen Extremismus“
Diese vertreten in unterschiedlicher Ausrichtung die verschiedenen Ausprägungen der „Ülkücü“ Ideologie.
Die drei mitgliederstärksten „Ülkücü“-Verbände in Deutschland sind:
- die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.“ (ADÜTDF ), mit etwa 7.000 Mitgliedern organisiert in rund 200 Ortsvereinen,
- die „ATİB – Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ (ATİB ), mit etwa 2.500 Mitgliedern in 25 Vereinen sowie
- die „Föderation der Weltordnung in Europa“ (ANF ), mit etwa 1.000 Mitgliedern in rund 15 Ortsvereinen.
Bei den drei großen Dachverbänden der „Ülkücü“-Bewegung handelt es sich teilweise um Auslandsorganisationen extrem nationalistischer türkischer Parteien.
Durch die Verbreitung der „Ülkücü“-Ideologie entfalten die Verbände eine desintegrative Wirkung und fördern einen übersteigerten türkischen Nationalismus mit völkerverständigungswidrigen und rechtsextremistischen Elementen. Die Verbände zeigen sich in ihrer Außendarstellung um ein gemäßigtes und unauffälliges Auftreten bemüht. Von ihnen organisierte Veranstaltungen in Bereichen wie Sport, Musik, Kultur etc. haben nach außen hin keinen extremistischen Charakter.
Dennoch werden durch solche Aktionen die Anhänger an die Bewegung gebunden und so immer wieder mit der nach innen ausgelebten rechtsextremistischen Ideologie in Berührung gebracht. Letzteres geschieht vor allem in den lokalen „Ülkücü“-Vereinen. In den sozialen Medien dagegen beschränken die Verbände ihre Präsenz auf ein Minimum.
Dieser Linie folgend zeigt sich auch die Anhängerschaft bei der Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen sowie beim Zurschaustellen von „Ülkücü“-Symbolen in der Öffentlichkeit zurückhaltend. Sie ist bemüht, sich im Rahmen der deutschen Gesetze zu bewegen, keine Straftaten zu begehen und sich vom politischen Gegner nicht provozieren zu lassen. Nach außen tritt die rassistische und antisemitische Ideologie daher eher durch Aktionen oder Äußerungen einfacher Mitglieder oder lokaler Vereine in Erscheinung.
Davon abgesehen sind vor allem auf kommunaler Ebene gelegentliche Versuche einer politischen Einflussnahme festzustellen. So sind die „Ülkücü“-Verbände bestrebt, Mitglieder dazu zu ermuntern, für politische Beteiligungsgremien zu kandidieren. In einzelnen Kommunen gab es bereits Kandidaturen von „Ülkücü“-Anhängern für Ausländerbeiräte und vergleichbare Gremien. Die Bewerber treten zumeist nicht auf Listen etablierter Parteien an, sondern als Einzelkandidaten oder in Wahlbündnissen. Daneben existieren vereinzelt auch Mitgliedschaften von „Ülkücü“-Anhängern in etablierten deutschen Parteien.
Unorganisierte „Ülkücü“-Szene
Neben den in den Dachverbänden organisierten „Ülkücü“-Anhängern werden deutlich über 1.600 Personen einer verbandlich nicht organisierten, freien „Ülkücü“-Szene zugerechnet sowie weiteren, meist kurzlebigen Kleinststrukturen der „Ülkücü“-Szene. Dieser Personenkreis tritt nach außen hin häufig aggressiver als die Dachverbände auf. Auch in ihren Äußerungen, die die nicht organisierten „Ülkücü“-Anhänger vor allem in den sozialen Medien verbreiten, sind sie weniger zurückhaltend.
Der unorganisierte Teil der Bewegung besteht überwiegend aus jüngeren Menschen, was die häufige Nutzung der sozialen Medien und Netzwerke erklärt, über die sie miteinander in Kontakt stehen. Dort pflegen sie ihre Feindbilder und hetzen gegen ihre vermeintlichen „Gegner“, indem sie diese diffamieren, herabwürdigen und zu „Feinden des Türkentums“ erklären.
In dieser überwiegend unstrukturierten Szene steht die Anlehnung an türkische Parteien nicht im Vordergrund. Hier ist der emotionale Hauptbezugspunkt die Türkei sowie der Konflikt der Türkei mit inneren und äußeren „Feinden“, wobei der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) besonderer Hass entgegengebracht wird. Insgesamt ist hier eine fast durchgehend bedingungslose Loyalität zum türkischen Staat und seiner aktuellen Staatsführung feststellbar.
Nicht immer tritt dabei die extremistische Ideologie sofort zutage. Einzelne Protagonisten der Szene vertreten vordergründig moderate, teils integrationsförderliche Ansichten, während sie beispielsweise auf Onlinepräsenzen teilweise unter falschem Namen rechtsextremistische Positionen verbreiten. Aufgrund ihrer großen Reichweite in den sozialen Medien tragen sie mit zur Meinungsbildung in der freien „Ülkücü“-Szene bei.
Erkennungszeichen und Symbole der „Ülkücü“-Bewegung
Nachfolgend sind einige der bekanntesten Symbole und Gesten aufgeführt, die nicht ausschließlich, aber häufig auch von Anhängern der „Ülkücü“-Ideologie verwendet werden.
Der „Graue Wolf“
Als bekanntestes Symbol der „Ülkücü“-Szene gilt der „Graue Wolf“ der verschiedentlich dargestellt sein kann.
Der „Graue Wolf“ als Symbol der „Ülkücü“-Bewegung
In den türkischen Gründungsmythologien finden sich verschiedene Bezüge zu Wölfen, so beispielsweise im Ergenekon-Mythos. Der Legende nach habe ein Wolf die von äußeren Feinden bedrängten Vorfahren des türkischen Volkes aus ihrem Zufluchtsort im Tal Ergenekon herausgeführt, wodurch diese gerettet wurden und schließlich zu neuer Macht gelangen konnten. Ein weiterer Ursprungsmythos der Türken ist die Asena-Legende, in welcher der Stammvater der Gök-Türken von der Wölfin Asena gerettet wird. Als Abstammungs- und Machtsymbol hat der Wolf besonders auch für türkische Rechtsextremisten eine herausragende Bedeutung und wird oft symbolhaft dargestellt.
Der Wolfsgruß
Vom „Grauen Wolf“ abgeleitet ist der sogenannte Wolfsgruß, eine der bekanntesten Gesten der „Ülkücü“-Szene. In entsprechendem Zusammenhang kann das Zeigen des „Wolfsgrußes“ als Bekenntnis zur „Ülkücü“-Ideologie gewertet werden. Dies gilt auch, wenn „Ülkücü“-Anhänger diese Handgeste verharmlosen wollen, als bloßes Zugehörigkeitsbekenntnis zu einer uralten Volksgruppe. Der Wolfsgruß wird aber nicht von allen Rechtsextremisten verwendet und von manchen sogar wegen seiner Eindeutigkeit vermieden.
Mitunter wird er auch nur benutzt, um politische Gegner, beispielsweise bei öffentlichen Kundgebungen, zu provozieren. Doch auch wenn das Zeigen des Wolfsgrußes ein Bekenntnis zur „Ülkücü“-Ideologie ist, muss nicht jeder Verwender dieses Grußes ein türkischer Rechtsextremist sein.
Neben dem Wolfsgruß existieren weitere Gesten und Symbole, die von vielen „Ülkücü“-Anhängern als Zugehörigkeitsdemonstration genutzt werden.
„Üç Hilal“
Die „Üç Hilal“ („drei Halbmonde“) – die Flagge mit den drei Halbmonden, diente im Osmanischen Reich unter anderem als Kriegsflagge und ist heutzutage das Parteilogo der extrem nationalistischen türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP), die als Urorganisation der „Ülkücü“-Bewegung gilt und in Deutschland durch die ADÜTDF vertreten wird.
Die drei Halbmonde symbolisieren die Kontinente Asien, Afrika und Europa, die früher teilweise zum Osmanischen Reich gehörten.
Einige Mitglieder der „Ülkücü“-Szene nutzen beispielsweise das Kürzel „CcC“ als Teil ihres Usernamens in sozialen Netzwerken, welches sinnbildlich für die drei Halbmonde stehen soll.
Häufig sind bei Anhängern der „Ülkücü“-Ideologie auch Tätowierungen mit Orchon-Runen oder der Zahlenfolge 1453, dem Jahr der Eroberung von Konstantinopel durch das osmanische Reich, zu finden.
Die „R4bia-Hand“ und der „Tauhid-Finger“
Auch von bekennenden „Ülkücü“-Anhängern häufig vor allem in den sozialen Medien dargestellt sind zudem die „R4bia-Hand“ sowie der „Tauhid-Finger“ vorzufinden.
Die „R4bia-Hand“ stammt ursprünglich von der Muslimbruderschaft aus der Zeit der Staatskrise in Ägypten 2013 und war zunächst ein Symbol der Protestbewegung gegen die Machtübernahme durch das Militär. Sie wird von Personen und Gruppierungen aus diversen Spektren verwendet und ist kein ausschließliches Symbol von „Ülkücü“-Anhängern.
Der „Tauhid-Finger“, der in jüngerer Zeit vor allem von Anhängern des politischen Islam genutzt wird, wie beispielsweise auch von Anhängern des sogenannten Islamischen Staates, bedeutet sinngemäß „Es gibt keinen Gott außer Allah“.
In der „Ülkücü“-Bewegung verwenden den „Tauhid-Finger“ vor allem Anhänger der stärker islamisch geprägten Strömungen.
Gewaltneigung gefährdet die innere Sicherheit in Deutschland
Die unorganisierten Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung leben ihre meist rassistischen oder antisemitischen Feindbilder unterschiedlich aus. Häufig nutzen sie hierfür die sozialen Medien. Die dabei oftmals gezeigte Gewaltneigung kann sich aber auch in der Realwelt entfalten, so zum Beispiel beim öffentlichen Aufeinandertreffen mit politischen Gegnern, vor allem Kurden beziehungsweise Anhänger der PKK. Hierbei zeigt sich immer wieder das in der unorganisierten Szene vorherrschende hohe Gewaltpotenzial.
Die Anwendung von Gewalt ist bereits von „Ülkücü“-Vordenkern wie beispielsweise Nihâl Atsız gerechtfertigt worden und ist bis heute ausdrücklich bekräftigtes Mittel zum Zweck. So fragt Atsız in seiner ursprünglich 1933 erschienenen Schrift „Der Marsch nach Çanakkale“ (Türkisch: Çanakkale’ye Yürüyüş) sinngemäß, ob ein Türke ohne Krieg auskommen könne – und stellt daran anschließend die Frage, ob Krieg und Kampf nicht die Basis des Lebens seien.
Die von Alparslan Türkeş gegründeten „Bozkurtlar“ begannen ab 1968 mit politischen Morden, denen zwischen 1968 bis 1980 mehr als 600 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen.
Darüber hinaus haben „Ülkücü“-Anhänger eine hohe Waffenaffinität und gefallen sich selbst in kriegerischen Posen, die sie über das Internet verbreiten.
Dementsprechend häufig sind Selbstinszenierungen mit Waffen oder andere Drohgebärden, die Stärke, Überlegenheit und Wehrhaftigkeit ausdrücken sollen, im Internet festzustellen. Beispielsweise werden Kraftsport und die Tätowierung „1453“ als Symbol für den militärischen Sieg über das christlich geprägte Abendland in bildlichen Zusammenhang gebracht. Eigene Bewaffnung zu zeigen, kommt nicht selten vor und kann mit „Ülkücü“-Symbolen, zum Beispiel der „Üç Hilal“ oder dem „Grauen Wolf“ verbunden sein.
Zusätzlich können Ereignisse und Konflikte im Zusammenhang mit der Türkei eine starke Emotionalisierung bei türkischstämmigen Nationalisten und Rechtsextremisten hervorrufen. Diese können sich auf die Sicherheitslage in Deutschland auswirken, da die Türkei als ursprüngliche oder auch nur ideelle Heimat zentraler Bezugspunkt für Anhänger der „Ülkücü“-Ideologie ist.
So findet ein militärisches Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den türkisch-syrischen Grenzregionen unter „Ülkücü“-Anhängern regelmäßig fast ausnahmslose Zustimmung. Beispiel hierfür ist das Vorgehen des türkischen Militärs gegen kurdische Milizen und Guerillaeinheiten der PKK und ihrer Ableger in der Türkei, im Irak und in Nordsyrien. Bei hiergegen stattfindenden Demonstrationen von Kurden oder Anhängern der PKK in Deutschland kommt es beim Aufeinandertreffen beider Lager immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Antisemitismus als Bestandteil der „Ülkücü“-Ideologie
Antisemitismus ist eines der prägendsten Elemente der „Ülkücü“-Ideologie. Innerhalb der Bewegung hat daher die Judenfeindschaft einen besonderen Stellenwert. Juden werden hier wegen einer behaupteten biologischen Minderwertigkeit und eines vermeintlich weltumspannenden verschwörerischen Einflusses angefeindet.
Hinzu tritt ein Antizionismus, der sich als einseitige Parteinahme für die Palästinenser manifestiert. Wird nicht schon die angebliche Minderwertigkeit von Juden betont, so wird meist auf den Konflikt zwischen Israel, dargestellt als angeblicher Aggressor, und den Palästinensern als vermeintliche Opfer verwiesen. Hier ergreifen „Ülkücü“-Anhänger üblicherweise Partei für die ihnen religiös, historisch und kulturell meist sehr viel näher stehenden Palästinenser.
Daher überrascht es nicht, dass sich „Ülkücü“-Anhänger wiederholt an Solidaritätsdemonstrationen zugunsten der Palästinenser gegen Israel beteiligen. So kam es in den Jahren 2021 und 2022 vermehrt zu antisemitischen Aktionen von Personen türkischer Herkunft, die von Bedrohungen über tätliche Angriffe auf Kippa-Träger bis hin zur Brandstiftung an einer Synagoge reichten. Auch im Internet werden immer wieder judenfeindliche Aussagen von „Ülkücü“-Anhängern verbreitet.
Dieser öffentlich ausgelebte Antisemitismus wird überwiegend von Personen aus der unorganisierten „Ülkücü“-Szene getragen und vor allem in den sozialen Netzwerken verbreitet. Auf Grundlage ihrer Ideologie äußern sie sich hier offen antisemitisch oder verbreiten entsprechende Aussagen anderer weiter.
„Ülkücü“-Bezüge im Alltag
„Ülkücü“-Vereine sind häufig bestrebt, ihren Mitgliedern ein umfassendes Freizeitangebot zu machen. Hierzu gehören Kultur- oder Sportvereine. Ein Indiz für Bezüge zur „Ülkücü“-Ideologie kann zum Beispiel sein, wenn eine Sportmannschaft ideologische Namensbestandteile und/oder Symbole verwendet, beispielsweise die Bezeichnung „Turanspor“ und den drei Halbmonden im Vereinslogo. Mitunter ist hier eine Verflechtung mit einem „Ülkücü“-Verein gegeben. Tatsächlich stehen bei diesen Vereinen Sport oder Kultur durchaus im Vordergrund.
Dennoch kommt es mitunter zum Beispiel auf dem Fußballplatz zu handgreiflichen, politisch motivierten Auseinandersetzungen bei Begegnungen zum Beispiel mit kurdischen oder armenischen Sportlern. Außerdem können solche Angebote immer auch gezielt oder unbeabsichtigt dazu führen, neue Anhänger zu gewinnen und mit der extremistischen Ideologie zu indoktrinieren.
Bestimmte Lieder und Künstler sind in der „Ülkücü“-Szene sehr beliebt und sorgen unter anderem bei Veranstaltungen für musikalische Untermalung. Neben Künstlern aus der Türkei finden sich auch in Deutschland Personen, die mit ihren Werken ganz offen Ideologieelemente der Bewegung verbreiten.
Ein Beispiel ist der 2019 verstorbene Ozan Arif, der nationalistische Musik produzierte und als Sänger auftrat. Ozan hat elf Jahre in Deutschland gelebt und war ein Verehrer des MHP-Gründers Türkeş.
Hervorzuheben sind auch Filme oder Serien wie insbesondere die 2003 bis 2005 beziehungsweise 2018 erschienenen türkischen Serien „Tal der Wölfe“ („Kurtlar Vadisi“) und „Die Wölfe“ („Börü“), die geeignet sind, eine übersteigerte nationalistische Haltung hervorzurufen und auch in der „Ülkücü“-Bewegung verhaftete Feindbilder zu bestärken.
Manche dieser Punkte sind für sich genommen noch nicht extremistisch beziehungsweise für sich allein genommen kein sicheres Zeichen für eine Zugehörigkeit oder positive Haltung zur rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung. Sie können aber durchaus eine Annäherung oder Verbindung nahelegen - vor allem bei gehäuftem Auftreten.
Neben der Anwendung von Gewalt, offen gezeigter Gewalt- oder Waffenaffinität oder der Verbreitung von Hass und antisemitischer Hetze im Internet wirkt die „Ülkücü“-Bewegung häufig auch ganz bewusst unterschwellig auf die Menschen ein. Hierdurch entfaltet sie eine desintegrative und zutiefst völkerverständigungswidrige Wirkung.