Das Netzwerk der Neuen Rechten.
(Juni 2024)
Die Akteure der Neuen Rechten sind untereinander gut vernetzt. In den letzten Jahren beobachtet das BfV zudem zunehmend eine Vernetzung von Akteuren der Neuen Rechten mit extremistischen Akteuren der „Alternative für Deutschland“ (AfD, Verdachtsfall) und Personen aus rechtskonservativen, bisher nicht als verfassungsschutzrelevant eingestuften Kreisen. Neben Einzelpersonen spielen dabei auch Netzwerke und Gruppierungen eine Rolle, die in der Vergangenheit nicht öffentlich in Erscheinung traten.
Akteure der Neuen Rechten
Bei der Neuen Rechten handelt es sich um ein informelles Netzwerk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen, in dem nationalkonservative bis rechtsextremistische Kräfte zusammenwirken, um anhand unterschiedlicher Strategien antiliberale bis antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen. Neurechte Akteure versuchen, Einfluss auf den vorpolitischen Raum zu nehmen, um ihre Positionen politisch zu verwirklichen. Innerhalb des Netzwerks füllen die Akteure unterschiedliche und teils komplementäre Rollen aus. Gemeinsames Ziel ist eine „Kulturrevolution von rechts“.
Die Vernetzung der neurechten Akteure spiegelt sich unter anderem in ihrem jeweiligen Selbstbild als Strategen („Institut für Staatspolitik“, IfS), Meinungsmacher („COMPACT-Magazin GmbH“), Netzwerker („Ein Prozent e.V.“), Verleger („Verlag Antaios“) oder Aktivisten („Identitäre Bewegung Deutschland“, IBD) wider.
„Institut für Staatspolitik“ (IfS) – Die Strategen
Das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) wurde im Mai 2000 als eingetragener Verein („Verein für Staatspolitik e.V.“) gegründet. Sitz des Vereins war der Ortsteil Schnellroda in der Gemeinde Steigra (Sachsen-Anhalt). Seit Mai 2023 wurde das IfS vom BfV als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft und dementsprechend bearbeitet.
Der „Verein für Staatspolitik e.V.“, offizieller Träger des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS), wurde mit Wirkung zum 17. April 2024 aufgelöst. Bereits am 28. Februar erfolgte die Neugründung der „Menschenpark Veranstaltungs UG“, deren alleiniger Geschäftsführer der ehemalige Vorsitzende des IfS ist. Am 29. Februar wurde zudem vom ehemaligen IfS-Geschäftsführer die „Metapolitik Verlags UG“ gegründet, die die vormals vom IfS herausgegebene Zeitschrift „Sezession“ fortführen soll. Der ehemalige Vorsitzender des IfS äußerte sich in einem Beitrag auf der Website der „Sezession“ zur Auflösung des IfS und der nachfolgenden Neustrukturierung. Dort gibt er als Beweggrund für die Auflösung insbesondere die Aberkennung der Gemeinnützigkeit im Jahr 2019 an. Er bestätigt weiterhin, dass es sich bei den neu gegründeten Unternehmergesellschaften sowohl in personeller Hinsicht als auch mit Blick auf die inhaltliche Kontinuität um die Fortsetzung der Aktivitäten des IfS handelt.
Das IfS hielt am Ethnopluralismus fest und orientierte sich an einem ethnisch-abstammungsmäßig definierten Volksbegriff. Außerdem ließen sich geschichtsrevisionistische Positionen finden. Aus dem Selbstverständnis des IfS als Ideen- und Impulsgeber der Neuen Rechten heraus war das IfS mit einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure der Neuen Rechten, zum Teil aber auch darüber hinaus, gut vernetzt.
Neben der Zeitschrift „Sezession“ publizierte das IfS mehrere Buch- und Schriftenreihen. Reichweite entfaltete insbesondere der Onlineblog „Sezession im Netz“. Darüber hinaus organisierte das IfS regelmäßig Veranstaltungen und mehrtägige Kongresse, die als „Akademien“ bezeichnet werden.
„COMPACT-Magazin GmbH“ – Die Meinungsmacher
Die „COMPACT-Magazin GmbH“ ist ein multimedial ausgerichtetes Unternehmen mit Sitz in Falkensee (Brandenburg). Hauptprodukt des Unternehmens ist die seit Dezember 2010 monatlich erscheinende Zeitschrift „COMPACT-Magazin“. Daneben zählen eine eigene Website, ein YouTube-Kanal, Präsenzen in sozialen Medien sowie das wochentäglich ausgestrahlte Online-TV-Format „COMPACT. Der Tag“ zu den Online-Angeboten von „COMPACT“.
„COMPACT“ verbreitet ein antisemitisches, minderheitenfeindliches und geschichtsrevisionistisches Weltbild in seinen Publikationen. Zudem werden verschwörungsideologische Erzählungen für die eigenen Zwecke politisch instrumentalisiert. Hauptmerkmal vieler der verbreiteten Beiträge ist zudem die Agitation gegen die Bundesregierung und allgemein das politische System Deutschlands.
Jürgen Elsässer, Chefredakteur des „COMPACT-Magazins“, wirkt durch seine Tätigkeiten und Verbindungen als zentraler Vernetzungsakteur zwischen der Neuen Rechten und dem rechtsextremistischen Parteienspektrum. Exemplarisch dafür ist die Zusammenarbeit mit der rechtsextremistischen Regionalpartei „Freie Sachsen“ zu nennen.
Aktualisierung vom 16.07.2024: Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat am 16. Juli 2024 die rechtsextremistische „COMPACT-Magazin GmbH“ sowie die „CONSPECT FILM GmbH“ verboten.
„Ein Prozent e.V.“ – Die Netzwerker
Der Verein „Ein Prozent e.V.“ existiert als Gruppierung seit Herbst 2015 und ist seit April 2016 im Vereinsregister eingetragen. Der Verein hat seinen Sitz in Dresden (Sachsen) und entfaltet bundesweite Wirkkraft. Im Juni 2020 hatte das BfV den Verein zunächst als Verdachtsfall eingestuft und dementsprechend bearbeitet.
Im Zuge der Verdachtsfallbearbeitung wurde eine quantitative Zunahme der verfassungsfeindlichen Äußerungen sowie eine inhaltliche Radikalisierung festgestellt, sodass „Ein Prozent e.V.“ – ebenso wie das IfS – seit Mai 2023 durch das BfV als gesichert extremistische Bestrebung bearbeitet wird.
Kurzmeldung des BfV vom 26.04.2023: Bundesamt für Verfassungsschutz stuft „Institut für Staatspolitik“ (IfS) und „Ein Prozent e.V.“ als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein
„Ein Prozent“ vertritt einen ethnisch-abstammungsmäßig definierten Volksbegriff, weist eine migranten- und muslimfeindliche sowie rassistische ideologische Ausrichtung auf, verbreitet antisemitische Narrative und propagiert das verschwörungstheoretische Konzept des „Großen Austauschs“.
Der Verein treibt in intensiver finanzieller und ideeller Form die Unterstützung, Bewerbung und Förderung verschiedener Organisationen und Einzelpersonen – insbesondere aus dem Spektrum der Neuen Rechten – voran und nimmt dadurch einen erheblichen Anteil an der Vernetzung innerhalb der Szene.
„Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) – Die Aktivisten
Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) sieht sich selbst als „außerparlamentarische Oppositionsbewegung“ und „patriotische Jugendbewegung“ und ist mit regionalen Untergruppen bundesweit aktiv. Die IBD beteiligt sich zudem immer wieder an Protestaktionen – auch über das extremistische Spektrum hinaus – und führt auch selbst geplante Aktionen durch.
Die IBD vertritt das Konzept des Ethnopluralismus, das auf der Vorstellung einer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung in einem ethnisch und kulturell homogenen Staat basiert. Für die IBD ist allein die ethnische Herkunft maßgeblich für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk.
Die IBD nutzt zudem intensiv soziale Medien: So hat der österreichische Staatsbürger Martin Sellner – Führungskader der rechtsextremistischen „ldentitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) und Leitfigur der „ldentitären Bewegung“ (IB) im gesamten deutschsprachigen Raum – auf der Plattform Telegram über 65.000 Abonnenten (Stand: 02/2024). Hier veröffentlicht er täglich eigene Audioanalysen, Videos und Textbeiträge, die unter anderem verschiedenen Themenfelder der Neuen Rechten – beispielsweise „Remigration“ oder „Großer Austausch“ – thematisieren.
„Remigration“
Der Begriff der „Remigration“ leitet sich aus Perspektive der Neuen Rechten als notwendige Handlungsanweisung aus dem zentralen neurechten Ideologem des „Ethnopluralismus“ ab. Den unterschiedlichen Ausprägungen des „Ethnopluralismus“ ist das Idealbild einer Völkervielfalt gemein, die sich in jeweils ethnisch weitestgehend homogenen Staaten niederschlägt. Diese Vorstellung läuft letztlich auf die Schaffung ethnisch definierter Gesellschaften und damit die Ausweisung aller „Volksfremden“ hinaus. Letztlich soll dem Idealbild des „Ethnopluralismus“ entsprechend eine möglichst homogene Bevölkerung geschaffen werden.
Dieser Leitvorstellung folgend setzen sich neurechte Akteure in Deutschland die Bewahrung der „ethnokulturellen Identität und Substanz“ des deutschen Volkes zum Ziel. Da neurechte Akteure und Gruppen aufgrund der aktuellen Migrationsbewegungen einen „gesteuerten Bevölkerungsaustausch“ unterstellen, wonach die „autochthone“ Bevölkerung Europas durch Zuwanderer aus Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten gezielt ersetzt werde, soll mit dem Konzept der „Remigration“ diesem Vorgang entgegengewirkt werden, um letztlich dem Idealbild des „Ethnopluralismus“ entsprechend eine möglichst homogene Bevölkerung zu schaffen.
Weiterhin verfügt Sellner aufgrund seiner breiten Vernetzung in der neurechten Szene über vielfältige alternative Möglichkeiten, um seine rechtsextremistischen Ideen und Theorien zu propagieren:
Sellner ist zum einen als Autor des neurechten „Verlag Antaios“ tätig; zuletzt wurden dort seine Bücher „Regime Change von rechts“ und „Remigration. Ein Vorschlag“ publiziert.
Zum anderen trat er regelmäßig im Rahmen der „Akademien“ des mittlerweile aufgelösten IfS auf und ist als Kolumnist für die „COMPACT-Magazin GmbH“ tätig.
Vernetzungsbestrebungen der Neuen Rechten
Seit Jahren beobachtet das BfV eine zunehmende Vernetzung des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS), von „Ein Prozent e.V.“ sowie der „COMPACT-Magazin GmbH“ in das Parteienspektrum, insbesondere zur „Alternative für Deutschland“ (AfD, Verdachtsfall) und deren Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA).
So fanden beispielsweise im Rahmen von als „Akademien“ deklarierten Seminarveranstaltungen des mittlerweile aufgelösten IfS seit Jahren regelmäßig Begegnungen und Diskussionen zwischen Vertretern der AfD (Verdachtsfall) und Protagonisten der Neuen Rechten statt. Die „Akademien“ richteten sich vorrangig an ein jüngeres Publikum.
Zuletzt fand vom 16. bis 18. Februar 2024 eine solche als „Winterakademie“ deklarierte Seminarveranstaltung des IfS statt. Veranstaltungsort war der Sitz des IfS sowie des Mitveranstaltenden „Verlag Antaios“ in Schnellroda (Sachsen-Anhalt); nach Angaben des IfS sollen bis zu „150 Studenten“ an der „Winterakademie“ teilgenommen haben, die als inhaltlichen Schwerpunkt das Thema „Rußland“ hatte. Die Vorträge wurden vom Geschäftsführer des IfS, Dr. Erik Lehnert, und dem Vorstandsmitglied und Inhaber des „Verlag Antaios“, Götz Kubitschek, sowie weiteren Referenten u.a. aus Serbien, Österreich und Russland gehalten. Das zeigt auch die internationale Vernetzung und Reichweite, die eine solche Veranstaltung des IfS generieren konnte.
Den Mittelpunkt der Veranstaltung stellte eine Podiumsdiskussion dar, die neben Lehnert und Kubitschek auch mit zwei hochrangigen Politikern der AfD (Verdachtsfall) besetzt war. Im Zuge dieser Podiumsdiskussion wurden etwa die im Rahmen des bevorstehenden Demokratiefördergesetzes vorgesehenen Maßnahmen der Bundesregierung als „Staatsstreich von oben“ bezeichnet sowie das politische System der Bundesrepublik Deutschland mit dem System der DDR gleichgesetzt.
„Sommerfeste“ des „Institut für Staatspolitik“ und der „COMPACT-Magazin GmbH“ als Ort der Vernetzung
Ein weiteres Beispiel für Vernetzungsbestrebungen, die weniger seminarartig konzipiert sind, sind die regelmäßig stattfindenden „Sommerfeste“ von Gruppierungen wie der „COMPACT-Magazin GmbH“ oder dem „Institut für Staatspolitik“ (IfS).
Am letztjährigen sogenannten „Sommerfest“ des IfS in Schnellroda (Sachsen-Anhalt), das am 8. und 9. Juli 2023 stattfand, nahmen nach Angaben des Vereins bis zu 500 Personen teil. Verteilt auf die beiden Veranstaltungstage wurde ein breit aufgestelltes Veranstaltungsprogramm geboten, darunter Podiumsdiskussionen zu unterschiedlichen Themen, wie etwa zu den Themen „Islam“, „Transgender“ oder „Remigration“, sowie Buchvorstellungen neurechter Autoren.
Zu den Vortragenden gehörten mehrheitlich Personen, die teilweise dem IfS zuzuordnen waren oder der Autorenschaft der vom Institut herausgegebenen Zeitschrift „Sezession“ zugerechnet werden konnten. Darüber hinaus nahmen aber auch Angehörige der „Identitären Bewegung“ – wie Martin Sellner – sowie Mitglieder der AfD (Verdachtsfall) und deren Jugendorganisation JA teil.
Das letzte „Sommerfest“ der „COMPACT-Magazin GmbH“ fand am 12. August 2023 in Stößen (Sachsen-Anhalt) mit etwa 580 Teilnehmern unter dem Motto „Für Frieden und Freiheit“ statt. Das „Sommerfest“ bestand aus einem mehrstündigen Bühnenprogramm mit einzelnen Redebeiträgen und einer Podiumsdiskussion. Als Redner und Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren bekannte Rechtextremisten und verfassungsschutzrelevante prorussische Personen und Akteure aus dem Phänomenbereich der „Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ aus dem gesamten Bundesgebiet anwesend.
Die Veranstaltungen des IfS hatten teilweise einen wissenschaftlichen Selbstanspruch und richten sich bewusst an ein jüngeres Publikum. Dort fanden sich regelmäßig Akteure der Neuen Rechten mit unterschiedlichstem Hintergrund ein. Die Veranstaltungen des IfS stießen insbesondere innerhalb der Neuen Rechten auf reges Interesse und sind stets gut besucht.
Vernetzung über das neurechte Spektrum hinaus
Vereinzelt sind innerhalb der Neuen Rechten auch internationale Vernetzungsbestrebungen – insbesondere bei der „Identitären Bewegung Deutschland” (IBD) – feststellbar.
Die IBD versteht sich selbst als Teil einer europäisch-patriotischen Bewegung. Seit Jahren beteiligen sich europäische Gruppierungen der „Identitären Bewegung“ (IB) an grenzüberschreitenden Protesten und Aktionen. Unter den in Europa bestehenden IB-Gruppierungen hat die IBD die meisten Kontakte mit der österreichischen Schwesterbewegung „Identitäre Bewegung Österreich“ (IBÖ).
Der Führungskader der IBÖ, Martin Sellner, ist auch Leitfigur und gewissermaßen „Sprachrohr“ der IB in Deutschland und vertritt so die Identitäre Bewegung im gesamten deutschsprachigen Gebiet. Im Zuge einer grenzüberschreitenden Ausrichtung der Vernetzungsbestrebungen der „Identitären Bewegung“ reisten Angehörige der IBD beispielsweise im Juli 2023 nach Wien (Österreich), um gemeinsam mit Aktivisten aus Österreich und weiteren europäischen Ländern an einer Kundgebung unter dem Motto „Remigration“ teilzunehmen. Die IBD unterhält auch Kontakte zu Akteuren „patriotischer Jugendbewegungen“ aus der Schweiz und Belgien.