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Desinformation als Mittel gezielter Einflussnahme fremder Staaten

Die Abbildung zeigt Monitore mit Darstellungen aus der Medienwelt.

(Januar 2023)

Kampf um Meinungshoheit

Geopolitische Verschiebungen in Verbindung mit der fortschreitenden Digitalisierung in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft führen zu einem sich zunehmend verstärkenden Kampf um die Meinungshoheit mittels Einflussnahme sowie Desinformation und Propaganda in der Gesamtheit aller Print- und Onlinemedien, dem sogenannten Informationsraum, aber auch im Cyberraum. Grundsätzlich verfolgen Staaten ihre Interessen über eine Vielzahl verschiedener zulässiger diplomatischer Aktivitäten.
Darüber hinaus nutzen einige Länder auch unzulässige Einflussnahmeaktivitäten, um ihre Interessen durchzusetzen. Diese zielen darauf ab, die eigenen strategischen, wie wirtschaftspolitischen Absichten zu stützen, die Überlegenheit des eigenen Gesellschaftsmodells zu propagieren oder den Ausbau einer globalen Machtposition abzusichern. Dabei setzen fremde Staaten auch ihre Nachrichtendienste ein, um einen Hebel im deutschen Informations- und Cyberraum zu erlangen. Die illegitime Einflussnahme kann zudem dazu dienen, Kernelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Frage zu stellen.

So zielt unzulässige ausländische Einflussnahme darauf, im Verborgenen oder unter Vortäuschung falscher Tatsachen Einfluss auf Entscheidungs- und Funktionsträger in unserer Demokratie auszuüben sowie den offenen politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess – auch vor Wahlen – zu manipulieren. Es sollen beispielsweise das Vertrauen der Bevölkerung in die Stabilität und Integrität der Institutionen und Mechanismen unserer freiheitlichen Demokratie geschwächt, ihre Werte in Frage gestellt oder Zusammenschlüsse demokratischer Staaten wie die Europäische Union oder die NATO untergraben werden.

Aufgrund der Beteiligung fremder Nachrichtendienste, einem verdeckten Vorgehen und den potenziellen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung in Deutschland ergibt sich die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes bei der Aufklärung und Abwendung solcher illegitimen Einflussnahmeaktivitäten. Insbesondere im Informationsraum sind solche Einflussnahmeaktivitäten – in Verbindung mit Desinformation – zu verzeichnen.

Die Abbildung die Webseite von Russia Today mit einem darauf abgebildeten Panzer
picture alliance |ZUMAPRESS.com | Muhammed Ibrahim Ali

Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine seit Februar 2022 hat ein derartiges Vorgehen auch in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit erfahren. So begleitet Russland seine militärischen Aggressionen mit einer Flut von Desinformation und Propaganda. Diese haben zum Ziel, die eigenen Kriegshandlungen zu legitimieren, aber auch Spaltungslinien innerhalb der deutschen Gesellschaft zu öffnen und Misstrauen in das staatliche Handeln hierzulande zu schüren. Dabei werden Fragen und Themen bedient, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden – wie beispielsweise die Sorgen bezüglich der Versorgungssicherheit, der Inflation oder vor einer Einbeziehung Deutschlands in unmittelbare Kriegshandlungen.

Was ist und wie wirkt Desinformation?

Desinformation ist eine Möglichkeit unzulässiger Einflussnahme. In Abgrenzung zu unbeabsichtigten Falschinformationen handelt es sich bei Desinformation um das bewusste und zielgerichtete Verbreiten falscher oder irreführender Informationen. Ziel ist die Beeinflussung der öffentlichen Meinung beziehungsweise von Gruppen oder Einzelpersonen, um ein bestimmtes politisches oder wirtschaftliches Anliegen zu unterstützen. Eine Information stellt dann eine Desinformation dar, wenn sie nach objektiven Maßstäben inhaltlich unzutreffend ist und der Urheber dies weiß. Gleiches gilt für das Verschweigen wesentlicher Teile einer Information.

Eine Desinformationskampagne ist ausgehend davon eine über einen längeren Zeitraum mit einem definierten strategischen Ziel andauernde Aktion, die eine breite Wirkung beim Empfängerkreis entfalten soll. Urheber sind zumeist staatliche oder staatsnahe Akteure, die geplant und koordiniert zusammenwirken. Dabei können sowohl offene als auch verdeckte Mittel angewendet und auch kombiniert werden.

Die Abbildung zeigt ein Screenshot mit Texten zur Kampagne „Stop Fake News“
Bundeszentrale für politische Bildung

Mehr zum Thema: „Desinformation“ (Informationsangebot der Bundeszentrale für politische Bildung)

Desinformation hat nicht zum Ziel, völlig neue Themen zu setzen. Es geht vielmehr darum, bereits vorhandene Stimmungen und Themen aufzugreifen und zu verstärken. Sie werden zumeist in bisherige Narrative – als sinnstiftende Erzählung – eingepflegt.
Dabei werden diese Narrative

  • gezielt,
  • gleichzeitig,
  • koordiniert und
  • in großer Anzahl verbreitet.

Isoliert betrachtet ist die Wirkung jeder einzelnen gezielt irreführenden Information nahezu unbedeutend. Erst durch das Zusammenwirken der vielfältigen Desinformationsaktivitäten und wenn es einem Akteur gelingt, Themen frühzeitig zu „besetzen“, kann die Desinformation dazu beitragen, ein Klima von Ablehnung, Skepsis oder Misstrauen aufzubauen oder anzufachen.

Auf diese Weise kann dann die öffentliche Meinung derart gelenkt werden, dass dies wiederum auf politische Entscheidungen und Handlungsspielräume rückwirkt.
So können den politisch Handelnden und staatlichen Stellen Kommunikation und Entscheidungen erschwert werden.

Wer sind die Urheber von Desinformation?

Desinformation wird im gesamten Informationsraum verbreitet – auf allen digitalen und analogen Kanälen, Medien und Formaten. Im digitalen Informationsraum verbreitet sich Desinformation heutzutage sehr viel schneller, globaler und unkontrollierter, als auf den analogen Kanälen. Zudem können Desinformationsaktivitäten im Netz immer ausgefeilter erstellt und an die jeweilige Zielgruppe angepasst gestreut werden.

Als Urheber und Verbreiter von Desinformation lassen sich neben staatlichen Akteuren auch staatlich gesteuerte und aus sich heraus motivierte Akteure feststellen. Staatliche Akteure haben dabei eine offensichtliche, unmittelbare Anbindung an den Staat und seine Regierung. Dies können beispielsweise offizielle staatliche Stellen, Politikerinnen und Politiker, aber auch etwa Staatsmedien sein. Staatlich gesteuerte Akteure hingegen deklarieren ihren staatlichen Hintergrund nicht direkt. Staatsnahe Medien und Nachrichten-Websites aus dem entsprechenden Staat sind Beispiele für staatlich gesteuerte Akteure. Aus sich heraus motivierte Akteure wiederum unterstehen weder einer unmittelbaren, noch einer verdeckten staatlichen Steuerung, sondern handeln aus eigener Motivation im Sinne eines Staates.

Die Urheber und Verbreiter von Desinformation stehen bei ihren Aktivitäten in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander und verstärken so ihre jeweilige Rolle als Desinformationsakteur. Dabei greifen sie häufig gegenseitig auf ihre Inhalte zurück und verbreiten diese auf ihren jeweiligen Kanälen. Durch diese gegenseitige Referenz streben sie eine Steigerung von Reichweite und vermeintlicher Plausibilität ihrer Botschaften an.

Im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands seit Ende Februar 2022 haben insbesondere Messengerplattformen an Bedeutung gewonnen. Im Vergleich zu den großen Social-Media Plattformen werden dort Inhalte deutlich weniger - oder gar nicht - moderiert oder geprüft.

Wie und durch welche Kanäle wird Desinformation verbreitet?

Dieses Bild zeigt eine Grafik mit der Fläche der Bundesrepublik Deutschland und Begriffen zur Desinformation
BfV

Ausländische staatliche Akteure nutzen die Gesamtheit aller ihnen zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel – wie Äußerungen von offiziellen Stellen, Veröffentlichungen von Staatsmedien oder Einzelbeiträge von Personen in den sozialen Medien –, um ihre Desinformation zu verbreiten. Staatlich gesteuerte Akteure greifen Desinformation dann häufig auf und streuen sie über ihre eigenen Kanäle weiter. Auch von Nachrichtendiensten gesteuerte Informationsportale im Web wirken hieran mit.

Eine besondere Funktion als Kanäle und Multiplikatoren von Desinformation haben soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram und TikTok sowie die Internetplattform Telegram. Sie kann dort in Sekundenschnelle weitergeleitet, geliked und kommentiert werden. So kann rasch eine große Aufmerksamkeit erzeugt werden.

Hinzu kommt, dass Desinformation über soziale Medien viel leichter und ressourcenärmer verbreitet werden kann, denn Konten bei einem der zahlreichen Social-Media-Anbieter sind weit verbreitet. Alle Nutzenden können heute potenziell jederzeit Desinformation selbst erstellen oder einem großen Publikum verfügbar machen.

Desinformation ist für manche Influencerinnen und Influencer sowie Aktivistinnen und Aktivisten ein bedeutsamer Teil ihres Contents geworden. Solche Accounts spielen damit eine zunehmend gewichtige Rolle bei der Verbreitung von Desinformation. Darüber hinaus ist auch zu beobachten, dass reichweitenstarke Akteure durch staatliche und nicht staatliche Stellen und staatsnahe Medien zur Desinformation eingebunden werden.

Ein weiteres Mittel um Desinformation zu verbreiten sind Hack and Leak- und Hack and Publish-Aktivitäten.

Dabei werden mittels cybergestützter Angriffstechniken Computersysteme, Konten in sozialen Medien, legitime Nachrichtenportale oder auch Blogs, beispielsweise von Journalistinnen und Journalisten oder Politikerinnen und Politikern, gehackt, um Informationen zu erlangen und diese dekontextualisiert oder gefälscht weiterzuverbreiten.

Akteure nutzen diese und weitere Mittel zur „Informationswäsche“. Hierbei soll die Herkunft einer Desinformation verschleiert und zugleich einem Urheber mit vermeintlicher Legitimität und Glaubwürdigkeit zugeschrieben werden.

Dadurch versuchen die Initiatoren ihren Beiträgen den Anschein von Seriosität zu verleihen. Das Einbinden von Logos etablierter Medien solle die Herkunft der Desinformationsinhalte zusätzlich verbergen. Dafür wurden in der Vergangenheit unter anderem Falschmeldungen unter dem Label ausländischer – auch deutscher – Medien verbreitet, um diese anschließend als Referenzen für weitere eigene Berichte zu missbrauchen, entweder für heimisches Publikum oder eine Leserschaft im Ausland.

Um entsprechende Desinformation zu verbreiten, werden alle Möglichkeiten zwischen kommerzieller Content-Erzeugung und den klassischen Strukturen des Desinformations- und Propaganda-Apparates genutzt. So kann auch durch Einflussnahme etwa auf reichweitenstarke Multiplikatoren versucht werden, seriöse Quellen für Desinformationsaktivitäten einzubinden. Statt dass ein Desinformationsakteur seine Behauptung direkt über eigene Accounts veröffentlicht, wird die Desinformation gleichsam über Bande in den Informationsraum gespielt.

Die grafische Abbildung zeigt Akteure und ihre Mittel und Methoden der Desinformation
BfV



Warum befasst sich der Verfassungsschutz mit Desinformation?

Desinformation beziehungsweise gezielte Desinformationskampagnen sind ein klassisches Betätigungsfeld fremder Nachrichtendienste – das hat unter anderem die Geschichte der deutschen Teilung mit dem Agieren der Abteilung X des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in der alten Bundesrepublik Deutschland gezeigt. Mit Desinformationsaktivitäten unterstützen fremde Nachrichtendienste die Politik ihrer Staaten, wenn diese ihre Einfluss- und Machtpositionen oder ihre Reputation international ausbauen oder ihre Weltsicht durchsetzen wollen. Zu diesem Zweck arbeiten oftmals unterschiedliche staatliche Stellen, Nachrichtendienste und staatlich gesteuerte Einrichtungen zusammen. Im Zuge der umgreifenden Digitalisierung und Vernetzung der Gesellschaft und der breiten medialen Erreichbarkeit von einzelnen Personen und Zielgruppen hat sich das Potenzial der Einflussnahme heutzutage im Vergleich zu der Zeit des Wirkens des MfS drastisch erhöht.

Die Aufnahme zeigt eine 3D-Visualisierung von einem Sozialen Netzwerk, bei der eine Person in den Fokus genommen wurde
BeeBright / iStock / Getty Images Plus

Die Zuständigkeit des BfV mit seiner Cyber- und Spionageabwehr ergibt sich aus der Steuerung dieser Desinformationsverbreitung durch fremde Nachrichtendienste beziehungsweise staatlich gelenkte Strukturen, in die diese Nachrichtendienste eingebunden sind und durch das verdeckte Vorgehen anderer Staaten.

Mehr zum Thema: Cyberabwehr und Spionageabwehr

Da Desinformation sowohl aus dem Ausland als auch aus dem Inland eine Beeinträchtigung des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses in einer freiheitlichen Demokratie darstellt, bedarf es sorgfältiger Ermittlungen zum Vorgehen ausländischer Akteure und der potenziellen Auswirkungen ihres Handelns. Dabei ist nicht nur das Erkennen solcher Desinformation eine Herausforderung, sondern auch die Zuordnung der Aktivitäten zu einem bestimmten Urheber. Einerseits ist dies der Vielzahl an zugänglichen Informationen geschuldet, die ein sofortiges Erkennen einer Desinformation erschwert. Andererseits versuchen die Urheber ihre Herkunft zu verschleiern und lassen unterschiedliche Akteure im Sinne des Urhebers auftreten. Darüber hinaus spielen die sozialen Medien eine gewichtige Rolle. Dort wird Desinformation schnell und ressourcenarm von vielen Usern weitergeleitet, geliked und kommentiert, sodass eine ursprüngliche Herkunft nicht direkt ersichtlich ist.

Bemerkenswert dabei ist, dass ausländische Desinformation gerade auch in extremistischen Kreisen Aufmerksamkeit erfährt. Dort wird sie in eigenen Kanälen sozialer Medien und anderen Publikationsformaten aufgegriffen und aus eigener Motivation heraus weiterverbreitet und so in ihrer Wirkung verstärkt. Dabei ist ein Teil der von fremden Mächten ausgehenden Desinformation auch gezielt an politische Ränder der Gesellschaft adressiert. Auf diese informatorische Weise werden Angebote unterbreitet, die immer wieder aufgegriffen werden, ohne dass es einer konkreten Steuerung bedarf. Die Verbreitung von Desinformationsinhalten soll über diesen Umweg auch bis in die Mitte der Gesellschaft hineingetragen werden.

Was leistet das BfV?


Das BfV leistet einen Beitrag zur Aufklärung der Hintergründe staatlicher Aktivitäten im Informationsraum, insbesondere mit seinen Kenntnissen zu fremden Nachrichtendiensten und deren Einbindung in das koordinierte Vorgehen fremder Staaten. Dabei identifiziert das BfV Operateure und beschreibt Methodik, Mechanismen und Wirkung von entsprechenden Operationen im Informationsraum wie im Cyberraum. Dazu gehören die umfassende Sammlung und Auswertung von Informationen sowie die Berichterstattung gegenüber Parlament, Regierung und Öffentlichkeit.

Um die gesamtstaatliche wie gesellschaftliche Resilienz gegen Desinformation und weitere Formen der illegitimen Einflussnahme zu fördern, tritt die Bundesregierung Desinformationsbemühungen strategisch sowie kommunikativ entgegen. Unterschiedliche Ressorts und Behörden arbeiten dafür eng zusammen. Das BfV unterstützt dabei als Frühwarnsystem das ganzheitliche Vorgehen der Bundesregierung gegen Desinformation und unzulässige ausländische Einflussnahme.

Mehr zum Thema: „Gemeinsam gegen Desinformation“