Rechtsextremismus im Internet: Gefahren digitaler Agitation und Radikalisierung
Durch welche Mechanismen wirkt das Internet heute als Motor rechtsextremistischer Radikalisierung? Die vorliegende Broschüre des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) geht dieser Frage detailliert nach und beschreibt dabei wesentliche Elemente rechtsextremistischer Onlineaktivitäten. In drei Kapiteln wird dargestellt, welche Internetplattformen rechtsextremistische Akteure mit welcher Intention nutzen, welche Strategien sie zur Erreichung ihrer Ziele einsetzen, und welche Rolle schließlich das Internet im Zusammenhang mit der (Selbst-)Radikalisierung und Gewaltorientierung bis hin zu rechtsterroristischen Attentaten spielt.
Der Befund, dass Rechtsextremisten vor allem Social-Media-Plattformen zu vielerlei Zwecken instrumentalisieren, bestätigt sich stets aufs Neue. Hier verbreiten sie rassistische, antisemitische oder demokratiefeindliche Propaganda und vernetzen sich miteinander. Nutzer können die propagierte Ideologie einfach konsumieren und sich diese zu eigen machen. Rechtsextremisten rekrutieren daneben aber auch neue Anhänger, werben für Veranstaltungen und mobilisieren Sympathisanten. Derartige Aktivitäten sind auf verschiedenen Internetplattformen zu beobachten, seien es klassische soziale Netzwerke wie Facebook, Mikrobloggingdienste wie X (vormals Twitter) oder Gamingplattformen wie Steam. Insbesondere der Messengerdienst Telegram hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Art Anker- und Sammelstelle verschiedenster rechtsextremistischer Szenen entwickelt. Als Anlaufpunkt für rechtsextremistische und gewaltverherrlichende Agitation gewinnen daneben aber auch Imageboards weiter an zentraler Bedeutung. All diese Plattformen bieten in emotional aufgeladenen und schnelllebigen virtuellen Echokammern oft einfache Antworten auf äußerst komplexe Fragen unserer Zeit.
Betrachtet man die unterschiedlichen Arten rechtsextremistischer Onlineagitation, so wird deutlich, dass sich rechtsextremistische Meinungsmanipulation keineswegs nur auf den Gebrauch plakativer Aussagen und entsprechender Symbolik beschränkt. Ganz im Gegenteil erfolgt diese zum Teil sehr subtil. Durch verdeckte Bild- und Textbotschaften sowie eine spezifische Ästhetik wird die Ideologie nur andeutungsweise – gleichwohl für Szeneangehörige meist mehr als offensichtlich – transportiert. Diese Subtilität findet sich gleichwohl auch in der inhaltlichen Gestaltung der Agitation wieder: So werden rechtsextremistische Botschaften oftmals gerade nicht explizit ausgedrückt, sondern es werden stattdessen vielmehr gesellschaftlich weitverbreitete Themenbereiche aufgegriffen und diese dann behutsam mit ideologisierten Inhalten vermengt. Dadurch verschieben Rechtsextremisten die Grenzen im politischen und gesellschaftlichen Diskurs schleichend aber stetig hin zu Positionen jenseits der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO). Hinzu kommt eine strategische Kommunikation, wie sie beispielsweise durch rechtsextremistische Influencer oder sogenannte Trolle betrieben wird.
Mitunter lassen sich mittels digitaler Infrastruktur und durch die Verwendung von Strategien der Onlineagitation sogar solche Dynamisierungsprozesse in Gang setzen, die im äußersten Fall in rechtsterroristischen Gewalttaten münden können. Die gesamte Bandbreite rechtsextremistischer Inhalte ist über das Internet jederzeit und leicht zugänglich verfügbar. Das Internet dient dabei als zentraler Radikalisierungsraum, der durch seine zahlreichen Vernetzungsmöglichkeiten die Herausbildung rechtsterroristischer Gruppierungen zu befördern vermag. Eine digitale Radikalisierung muss hierbei nicht zwangsläufig innerhalb einer Gruppe stattfinden, sondern kann auch das Ergebnis eines zwar individuellen, aber mitunter fremdverstärkten Nutzerverhaltens sein. Sowohl bei der Ankündigung als auch Durchführung von Anschlägen kommt dem digitalen Raum eine erhebliche Bedeutung zu, wie die Anschläge 2019 in Halle an der Saale und 2020 in Hanau zeigten. So stellen Rechtsextremisten und -terroristen beispielsweise Tatbegleitschreiben oder Liveübertragungen ihrer Attentate selbst ins Internet und adressieren bewusst eine rechtsextremistische Online-Community. Diese wiederum greift die Taten in den sozialen Medien auf und betreibt mitunter einen Attentäterkult, der seinerseits zu weiteren Gewalttaten inspirieren kann.
Freilich dürfen das Internet und insbesondere die Sozialen Medien keineswegs als alleiniger Auslöser von möglichen (Selbst-)Radikalisierungsprozessen verstanden werden; sind diese doch stets das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedenster Faktoren und Einflüsse. Die digitale Welt mit ihren zahlreichen Kommunikationsplattformen stellt nur einen wichtigen Faktor von vielen dar und macht daher eine gesamtgesellschaftliche Reaktion erforderlich. Die Sicherheitsbehörden leisten hierbei wichtige Aufklärungsarbeit. So arbeitet beispielsweise auch das BfV im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenstellung kontinuierlich daran, rechtsextremistische Netzwerke und radikalisierte Einzelpersonen im Internet zu detektieren und zu überwachen. Ein besonderes Augenmerk muss hierbei auf der Identifizierung anonym im Internet agierender Akteure liegen. Das BfV kooperiert im Rahmen dieser Aufklärungsarbeit eng mit nationalen und internationalen Partnerbehörden und analysiert fortlaufend rechtsextremistische Online-Subkulturen, Kommunikationsmuster und verfassungsschutzrelevante Verschwörungserzählungen. Neben einer konsequenten juristischen Ahndung von im Internet begangenen Straftaten bedarf es aber zugleich einer nachhaltigeren Selbstregulierung der Betreiber großer Internetplattformen als bisher. Nur diese sind in der Lage, ihre eigenen Community-Richtlinien durchzusetzen, Hasspostings zu löschen oder deren Verfasser dauerhaft zu sperren. Ihnen obliegt damit, ebenso wie der Zivilgesellschaft und der Online-Community selbst, eine nachhaltige Mitwirkung bei staatlichen Maßnahmen gegen Hass und Hetze im Internet.
Aus dem Inhalt:
- Einleitung
- Welche Internetplattformen nutzen Rechtsextremisten?
- Welche Agitationsmittel nutzen Rechtsextremisten im Internet?
- Welche Rolle spielt das Internet für die Radikalisierung und Gewaltorientierung?
- Fazit
- Glossar