Rede von BfV-Vizepräsident Sinan Selen auf der 13. BfV/ASW-Sicherheitstagung in Berlin
Thema: „Extremismus – steigende Gefahr für Sicherheit und Reputation von Unternehmen“
Datum
27.03.2019
Es gilt das gesprochene Wort!
Lieber Volker Wagner,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
auch von meiner Seite: herzlich willkommen zur 13. Sicherheitstagung des Bundesverfassungsschutzes und ASW-Bundesverbands hier in Berlin.
Wir haben in den letzten Jahren oft über die Gefahren gesprochen, die von der Digitalisierung und Vernetzung ausgehen. Dieses Thema wird uns auch weiter begleiten – wir werden es weiter verfolgen. Wir dürfen die anderen Gefahren für Unternehmen aber auch nicht aus dem Blick verlieren. Denn zu einem effizienten Risikomanagement gehört nach meiner Auffassung die Rundumsicht, die alle Risikofelder umfasst.
Und da gibt es verschiedene Szenarien, die Wissen, Vermögen und Reputation deutscher Unternehmen bedrohen.
Extremismus und Intoleranz gehören dazu. Sie zählen – nach meiner Einschätzung – zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Und wir als Verfassungsschutz werden der Wirtschaft auch in diesem Themenfeld als verlässlicher Partner zur Verfügung stehen.
Aber fangen wir vorne an:
Wir leben in einem Land, in dem jeder das Recht hat, sich frei zu entfalten und seine Meinung frei zu äußern – natürlich im Rahmen der Spielregeln unserer Verfassung. Seit einiger Zeit beobachten wir aber von verschiedenen Seiten, dass eben diese Regeln in Frage gestellt werden – teils verbal, teils mit Falschinformationen, teils mit Gewalt.
Diese Aktionen richten sich gegen Andersdenkende, gegen den Staat oder gegen Unternehmen. Und sie lassen einen demokratischen Diskurs nicht zu:
- Eine laut geäußerte Meinung zählt mehr als herausgearbeitete Fakten.
- Ein Konsens und gute Kompromisse sind für bestimmte Gruppen nicht mehr gangbar.
- Stattdessen zählen Beleidigungen und mitunter Gewaltaktionen als Mittel der Wahl gegen den vermeintlichen Gegner.
Das alles ist kein theoretischer Diskurs, sondern ein handfestes Risiko für unsere Demokratie! Denn eine Entgrenzung droht in beide Richtungen:
- Einerseits droht die Gefahr, dass wir – als Gesellschaft – Extremismus und Intoleranz nur noch schulterzuckend hinnehmen.
- Andererseits mussten wir leider oft beobachten – dass aus extremistischen Ideen terroristische Aktionen wurden. Ich nenne nur die Stichwörter RAF, NSU und die Anschläge im Namen des sogenannten Islamischen Staates.
Deshalb möchte ich heute die Fragen stellen: Was ist Extremismus? Was will er? Und: Warum schadet er auch der deutschen Wirtschaft?
Meine Damen und Herren,
der Extremismus steht dem demokratischen Verfassungsstaat diametral gegenüber. Vielmehr noch: Er lehnt ihn kategorisch ab. Er will ihn einschränken oder am liebsten ganz auflösen.
Die Motivation, unsere Demokratie auflösen zu wollen, ist je nach Extremismusbereich unterschiedlich:
- Linksextremisten attackieren die Repräsentanten des Staates – in erster Linie Polizeibeamte. Zudem wollen sie unsere kapitalistische Gesellschaftsordnung als solche beseitigen. Dafür sabotieren sie Unternehmen, wenn sie Anstoß an deren Geschäftsideen oder -modellen nehmen.
- Rechtsextremisten wiederum gehen von der Überlegenheit der eigenen Ethnie aus und stellen die Gleichheit der Menschen sowie ihre Menschenwürde in Frage. Sie reden von Überfremdung und erhöhen die eigene Identität.
- Islamisten propagieren den Gottesstaat und lehnen vor allem die Trennung von Staat und Religion ab. Auch sie akzeptieren die Gleichheit der Menschen nicht und unterscheiden zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Islamisten wollen westlichen Staaten schaden. Pluralismus und Akzeptanz findet man bei ihnen nicht – nur schwarz und weiß, gut und böse.
Für alle Extremismusbereiche gilt: Sie stellen uns vor Herausforderungen. Und: Sie sind auf dem Vormarsch! Das zeigen nicht zuletzt die steigenden Personenpotentiale.
Das Internet und soziale Medien begünstigen diese beunruhigende Entwicklung: Sie fördern ein Klima der Enthemmung und wirken oftmals als verbales Aufputschmittel für nachfolgende physische Gewaltexzesse.
Abgesehen vom Schaden für unsere Demokratie sind auch Unternehmen vom Extremismus direkt betroffen:
- Erstens: Extremisten können Unternehmen durch Sabotage einen schweren finanziellen Schaden zufügen oder einen Schaden für die Mitarbeiter verursachen.
- Zweitens: Extremisten – oder extremistische Kommentare – können das betriebliche Zusammenleben massiv stören. Extremisten sind sogar in der Lage, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu gefährden – und zwar, indem sie durch ihr menschenverachtendes Agieren unser Ansehen in der Welt beschädigen und potentielle Mitarbeiter sowie Investoren aus dem Ausland abschrecken.
- Drittens ist es nicht ausgeschlossen, dass Extremisten durch Anschläge auf unsere Infrastrukturen den Wirtschaftskreislauf in Deutschland nachhaltig stören.
Meine Damen und Herren,
betrachten wir als erstes Sabotageversuche gegenüber einzelnen Unternehmen. Sie werden häufig von Linksextremisten verübt, von denen wir in Deutschland 29.500 Personen zählen – 9.000 davon sind als gewaltorientiert einzuschätzen.
Der Linksextremismus will die Struktur des „kapitalistischen Klassensystems“ überwinden und lehnt unseren Staat ab. Er tritt durch zielgerichtete Aggressionen in Erscheinung gegen
- materielle Werte durch Brandanschläge und Sachbeschädigungen,
- aber auch durch Gewalt und Drohungen gegen Personen.
Gegenwärtig findet eine Entgrenzung zur demokratischen, bürgerlichen Mitte statt. Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass der Extremismus gesellschaftliche Debatten aufgreift und in geschickter Form für sich instrumentalisiert. Die natürliche Trennlinie zwischen bürgerlichem Protest und extremistischen Handlungen verwischt.
Am Beispiel des Hambacher Forsts kann man ganz gut erklären, was ich meine:
Hier gibt es zunächst eine gesellschaftliche Debatte über den Tagebau und Klimaschutz – also einen demokratischen Diskurs über eine legitime Frage. Diese Debatte wird dann von Linksextremisten aufgegriffen, sie mischen sich unter den bürgerlichen Protest und werben dort für die Anwendung von Gewalt – zum Beispiel gegen die RWE Power AG.
Etwas Ähnliches beobachten wir ja auch gerade bei den „Gelbwesten“ in Frankreich: Der Protest von Bürgern ist in Demokratien legitim. Das Demonstrationsrecht ist in unserer westlichen Gesellschaft eine wesentliche Säule unserer freiheitlichen Gesellschaft.
Aber der Protest der „Gelbwesten“ wird missbraucht von denjenigen, die lediglich randalierend durch die Städte ziehen wollen und an einer inhaltlichen Auseinandersetzung kein Interesse haben. Ein randalierender Mob, der Restaurants und Cafés in Brand setzt, hat mit Demokratie nichts zu tun.
Nächstes Beispiel: Der G20-Gipfel in Hamburg vor zwei Jahren:
Hier waren linksextremistische Gruppen wie die „Interventionistische Linke“ aktiv, die politisch links stehende Menschen für den gewaltbereiten Linksextremismus empfänglich machen wollten. Dafür bildeten sie gleichsam eine Brücke, indem sie durch eine sehr professionelle Medienarbeit das Narrativ verbreiteten, man verteidige sich bloß gegen staatliche Gewalt.
Linksextremisten behaupteten: „Wir kämpfen für eine gerechtere Welt.“ – Und was war die Folge?
- An nur einem Wochenende wurden beim G20-Gipfel über 230 Polizisten verletzt.
- Es entstand ein erheblicher Sachschaden durch Plünderungen, durch die willkürliche Inbrandsetzung von fast 380 Fahrzeugen oder die Verwüstung ganzer Straßenzüge während der Gipfeltage.
Ich frage mich: Waren alle Opfer Klassenfeinde? Wie der VW Polo eines Hamburger Pflegedienstes?
- Und was war mit den Hamburgern selbst? Die Menschen haben sich ein ganzes Wochenende lang nicht auf die Straße getraut! Familien mit kleinen Kindern haben in ihren Wohnungen gesessen und den Notruf der Polizei gewählt in der Sorge, dass das Feuer auf der Straße auf die Wohngebäude übergreift! Das sind traumatische Erlebnisse für die Betroffenen, die sie nicht einfach abschütteln können!
- Zum ganzen Bild gehört, dass schon geraume Zeit vor dem eigentlichen Gipfel – nämlich seit Mai 2016 – Linksextremisten zu Gewalt mobilisiert und diese auch ausgeübt hatten: Bundesweit wurden insgesamt über 140 Resonanz-Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund festgestellt – vor allem auf Bahnanlagen und Banken. Anschläge gab es aber auch auf eine Reederei in Hamburg und auf das Privathaus des Geschäftsführers der Messe Hamburg, weil die den Tagungsort des Gipfels bereitstellte.
Grundsätzlich betrachten Linksextremisten Unternehmen als Teil des verhassten und zu bekämpfenden „kapitalistischen Systems“. Linksextremisten schreiben global agierenden und multinationalen Konzernen eine Mitverantwortung für angebliche soziale und politische Fehlentwicklungen zu.
Sie projizieren ihren Unmut – auch immer wieder – auf einzelne Konzernvertreter, die sie über die Veröffentlichung von Fotos und persönlichen Daten an den Pranger stellen und einschüchtern wollen. – Das ist auch eine Herausforderung für die jeweilige Konzernsicherheit.
Fakt ist: Sabotageversuche gegen Unternehmen sind leider fast alltägliche Realität:
- Da werden regelmäßig Anschläge auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn verübt, weil man Produktionsabläufe über den Güterverkehr stören will. Die Bahn wird auch dann Opfer von Linksextremisten, wenn diese die Bahnstrecken zu Orten sabotieren wollen, wo gerade eine rechtsextremistische Demonstration stattfindet. Immer wieder werden Kabelschächte und Stellwerke der Bahn in Brand gesetzt – mit zum Teil bundesweiten Folgen, vor allem für Pendler, die eigentlich nur ihrer Arbeit nachgehen wollen.
- Anschläge werden aber auch auf Funkmasten oder Fahrzeuge von Telekommunikationsanbietern verübt, weil man – Zitat – die „Herrschaft der Netze zerreißen“ will – Zitat Ende.
- Zulieferer-Betriebe von Rüstungsunternehmen, die Atomwirtschaft, Versicherungen, Energieversorger, die Bundeswehr oder Bewachungsfirmen stehen ebenso im Fokus.
- Ende Januar dieses Jahres verschafften sich Linksextremisten Zugang zum Betriebsgelände des Hamburger Hafens und besetzten Entladekräne und Ladebrücken, weil dort auch Kohle umgeschlagen wird.
- Selbst Medienhäuser – ob große oder lokale – werden von Linksextremisten nicht geschont, wenn ihnen die Berichterstattung missfällt.
- Ganz oben auf der Liste der Linksextremisten stehen seit geraumer Zeit Wohnungsbau-Gesellschaften und Immobilienfirmen, weil sie – angeblich – für einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum verantwortlich sind. Darum werden Baufahrzeuge beschädigt, oder Neubauten werden in Brand gesetzt, auch wenn das Feuer – in der Folge – auf benachbarte Gebäude übergreift und Menschenleben gefährdet.
Wenn Linksextremisten ein Unternehmen angreifen wollen, sind der Phantasie gleichsam keine Grenzen gesetzt, um dafür eine vermeintliche Rechtfertigung zu erlangen: Mal wirft man ihnen vor, Unterstützer des Faschismus zu sein, mal von der Asylpolitik zu profitieren oder einen Sozialabbau zu verursachen.
Hervorstechen bei sämtlichen Aktionen die sogenannten Autonomen, die besonders gewaltbereit sind, vor Tötungsversuchen nicht zurückschrecken und ihre Anschläge klandestin planen und begehen.
Die Analyse des Bundesverfassungsschutzes lautet in diesem Zusammenhang:
- Neben einer zunehmenden Brutalisierung der Sprache und der Straße haben alle Extremisten durch die sozialen Netzwerke im Internet eine gestiegene Organisations- und Kampagnenfähigkeit gewonnen – auch über Ländergrenzen hinweg.
- Und wenn wir über die Nutzung der sozialen Medien sprechen, müssen wir uns vor Augen halten, dass diese vor allem die Emotionen ansprechen. Der Raum für eine sachliche Debatte dagegen, die rational und abwägend agiert, wird dagegen kaum genutzt. Diese sachliche Debatte ist vielen mittlerweile zu anstrengend. Sie wollen einfache Antworten auf komplexe Fragen.
Für mich ist dagegen nur eines klar: Es darf für keine extremistische Gruppe in Deutschland Verständnis oder gar tolerierte Rückzugsräume geben – weder analog, noch digital. Und auch der Linksextremismus darf nicht – wie es in Teilen unserer Gesellschaft leider geschieht – verharmlost, verklärt oder glorifiziert werden:
- Denn er ist eine Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung,
- er gefährdet Menschenleben,
- und wir werden diese Art von Selbstjustiz – zu Lasten einzelner Unternehmen – nicht akzeptieren.
Meine Damen und Herren,
gucken wir uns als nächstes an, wie der Extremismus der Reputation Deutschlands schaden kann – oder dem betrieblichen Zusammenleben. Hierfür möchte ich vor allem den Rechtsextremismus unter die Lupe nehmen.
In der Auseinandersetzung mit ihm lautet die entscheidende Frage: Es gibt in unserer Gesellschaft eine Bandbreite an Meinungsvielfalt – was muss man davon aushalten, und wogegen muss man vorgehen? Wo ist die Grenzziehung: Was ist Diskurs, wo ist die rote Linie?
Der Verfassungsschutz nimmt das Wiedererstarken rechter Gewalt und Agitation sehr ernst. Das Wiedererstarken geht einher mit einem massiven Einprasseln von Falschinformationen. Das ist vor allem ein Problem in den sozialen Medien.
Hier können wir – wie unter einem Brennglas – beobachten, wie aus Gedanken Worte werden – und aus Worten Taten. Der Anschlag in Christchurch zeigt uns auf eine erschreckende Weise, wie ein solcher Prozess enden kann.
In Deutschland haben Rechtsextremisten ein Personenpotential von etwa 24.000 – die Hälfte davon ist gewaltbereit. Sie verbreiten ihre rassistischen, antisemitischen, ausländer- und islamfeindlichen Inhalte auf der Straße und auf neonazistischen Internetplattformen.
Rechtsextremisten schaden nicht nur unserer Demokratie und unserem friedlichen Zusammenleben in Deutschland, sondern auch der Wirtschaft. Durch ihre menschenverachtenden Aktionen untergraben sie unser Ansehen in der Welt und das Vertrauen des Auslands in unsere Werte und Stabilität.
Die „Marke Deutschland“ leidet. Erst im letzten Herbst hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unterstrichen, dass rechtsextremistische Zwischenfälle – wie in Chemnitz und Köthen – unserem Label „Made in Germany“ sehr schaden können.
Die Folge ist, dass Investoren aus dem Ausland skeptisch werden können oder potentielle Fachkräfte durch Bilder von rechtsextremistischen Aufmärschen und durch Warnungen vor vermeintlichen „No-Go-Areas“ abgeschreckt werden – mit dem Ergebnis, dass die für uns so wichtige Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland eine große Herausforderung wird.
Wir verlieren dadurch genau das, was unser Land so attraktiv macht!
Nun frage ich Sie:
Bleiben bereits potentielle Fachkräfte aus dem Ausland weg? Nach meiner Einschätzung lautet die Antwort: nein – noch nicht! Wir sind immer noch eines der attraktivsten Länder der Welt! Aber das müssen wir uns auch bewahren – wir müssen es schützen!
Im Wettbewerb um die besten Köpfe müssen wir – als Gesellschaft – immer wieder deutlich machen, dass eine rassistische Gesinnung nicht nur unserem Menschenbild widerspricht, sondern auch unserem Gesamtmodell, das weltoffen ist, von der Globalisierung profitiert und neue Ideen von ausländischen Fachkräften braucht.
Ausländische Investoren und potentielle Fachkräfte – ebenso wie unsere Nachbarn und internationalen Partner – vertrauen unserer politischen Stabilität und den Werten unserer sozialen Marktwirtschaft. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen!
Die nächste Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist: Wie sollte sich ein Unternehmen verhalten, wenn ein eigener Mitarbeiter eine extremistische Gesinnung hat – oder wenn er sich als Reichsbürger, Selbstverwalter oder gar als religiöser Extremist entpuppt?
Welche Möglichkeiten es hier gibt, bedarf einer genauen arbeitsrechtlichen Analyse – die lasse ich hier außen vor.
Fakt ist aber: Wenn extremistische Äußerungen – während der Arbeitszeit oder in der Pause – unwidersprochen im Raum stehen bleiben, werden sie schnell für eine Mehrheitsposition gehalten.
Und ich erinnere daran, dass der Arbeitgeber die Pflicht hat, seine Mitarbeiter vor rassistischen, extremistischen oder sexistischen Bemerkungen zu schützen, indem er diese ahndet.
Wir alle profitieren von Vielfalt, Toleranz und Respekt. Das gilt für Sie genauso wie für den Verfassungsschutz. Wir müssen dieses Thema deshalb zur Chefsache machen! Und das heißt ganz konkret: Wir müssen hingucken!
Unternehmen sollten klar und deutlich für Demokratie und Gleichheit eintreten – zum Beispiel mit Hilfe eines firmeneigenen Leitbilds. Das ist nicht allein Aufgabe des Staates. Das geht uns alle etwas an.
Und Unternehmen sollte sich auch nicht scheuen, eine externe Beratung in Anspruch zu nehmen, um die verschiedenen Erscheinungsformen des Extremismus überhaupt erkennen zu können.
Denn nehmen wir die sogenannte „Neue Rechte“ – zum Beispiel: Sie kommt heute nicht mehr im Outfit eines Skinheads mit Springerstiefeln um die Ecke. Sie kommt im intellektuellen Gewand daher und inszeniert sich als Kämpferin gegen den – Zitat – „linken Meinungsterror“ oder gegen eine angeblich „fehlgeleitete Political Correctness“.
Die „Neue Rechte“ will gesellschaftliche Diskurse prägen und einzelne Begriffe neu besetzen oder umdeuten. Wir stoßen hier auf rhetorisch geschulte junge Erwachsene, hinter deren hippen Fassaden eine zunehmende Radikalisierung gegenüber Muslimen und Verflechtungen mit Rechtsextremisten zu beobachten sind.
Sie schwadronieren von einer „Umvolkung“ oder „Invasion von Fremden“. Das alles sind zentrale Begriffe, die auch vom Attentäter von Christchurch aufgegriffen wurden!
Zusammengefasst stelle ich deshalb fest:
Der Extremismus ist kein „kosmetisches Problem“, das einfach nur sehr hässlich aussieht und abschreckt, sondern er ist real. Er will den demokratischen Diskurs ersetzten, indem er klare Feinbilder aufbaut und Antworten bereitstellt, die der Komplexität der Welt in keiner Weise gerecht werden.
Und deshalb sind Extremisten nicht nur Feinde der Demokratie. Sie sind auch Feinde der Wirtschaft, weil sie
- den Betriebsfrieden stören,
- der Reputation einzelner Unternehmen schaden
- und unsere Marktwirtschaft sabotieren, indem sie Fachkräfte und Investoren aus dem Ausland abschrecken.
Meine Damen und Herren,
als dritten Punkt möchte ich die Bedrohung durch terroristische Anschläge ansprechen. Diese Gefahrensituation ist noch lange nicht überwunden. Und da fällt uns als erstes natürlich der Terrorismus religiöser Fanatiker ein. Er ist durch den territorialen Niedergang des sogenannten Islamischen Staates noch lange nicht besiegt. Im Internet und in sozialen Medien ist er so lebendig wie eh und je!
Wie Links- und Rechtsextremisten können Islamisten auf vielfältige soziale Netzwerke und Instant-Messenger-Dienste zurückgreifen, um ihre Botschaften in die Welt zu senden.
Und diese Botschaften kommen an. Das zeigen die vielen Anschlagsplanungen, die die deutschen Sicherheitsbehörden in den letzten beiden Jahren frühzeitig aufdecken und durchkreuzen konnten:
- Im Juni 2018 wurde in Köln – Dank der Ermittlungen des BfV – ein 29-jähriger Tunesier festgenommen, der im Begriff war, einen terroristischen Anschlag mit Rizin in Deutschland vorzubereiten.
Erinnert sei auch an den mutmaßlichen Terroristen Jaber al-Bakr, der an einem Berliner Flughafen einen Sprengstoffanschlag begehen wollte.
Gerade Anschläge auf unsere Infrastrukturen bedeuten nicht nur eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen, sondern auch ein Risiko für unseren Wirtschaftskreislauf. Und genau das ist das Ziel der Terroristen.
Deshalb müssen sich Unternehmen regelmäßig fragen, ob sie auf auch auf Krisen dieser Art vorbereitet sind:
Neben der Sorge vor einem möglichen Anschlag in Deutschland müssen Unternehmen ebenso bedenken, ob ihre Mitarbeiter und Anlagen im Ausland einer möglichen Terrorgefahr ausgesetzt sind.
Den wirtschaftlichen Schaden, den islamistische Terrorakte anrichten können, verdeutlichen uns jedenfalls
- die menschenleeren Strände in Touristenhochburgen, wenn es dort zuvor zu einem Anschlag gekommen ist
- oder die komplexen und kostspieligen Sicherheitsmaßnahmen nach einem Anschlag – denken Sie nur an die Sperrzone rund um die London Bridge.
Wir sehen also: Wir müssen mit Risiken aktiv umgehen. Wir dürfen sie natürlich nicht dramatisieren, aber eben auch nicht kleinreden. Und bei allen Sicherheitsfragen sollten sich Unternehmen nicht scheuen, die Sicherheitsbehörden zu kontaktieren. Das ist heute meine Botschaft an Sie!
Die Sicherheitsbehörden stellen Informationen bereit und können bei der Einschätzung eines Risikos behilflich sein. Wir sind Ihre Partner auf Augenhöhe!

Meine Damen und Herren,
ich komme damit zum Schluss und ziehe folgendes Fazit:
Die Aufgabe des Bundesverfassungsschutzes ist es, Informationen zu beschaffen und die Faktenlage herauszuarbeiten. Wir stellen unsere Analysen sowohl der Politik als auch der Wirtschaft zur Verfügung.
Die politischen Schlüsse daraus oder konkrete Handlungsanleitungen für Unternehmen müssen jedoch von anderer Stelle vorgenommen werden. Das ist nicht die Aufgabe des Verfassungsschutzes.
Stabilität und ein friedliches Zusammenleben sind keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen jeden Tag neu und hart erarbeitet werden. Und das ist letztlich auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!
Damit Extremismus in Deutschland keine Chance hat, müssen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft an einem Strang ziehen. Und das sollte so aussehen:
- Erstens – der Staat ist wehrhaft und muss klar machen, dass er dem Treiben von Extremisten nicht tatenlos zusieht.
- Zweitens: In der Gesellschaft brauchen wir den Konsens, dass Extremismus – gleich welcher Couleur – nie eine Lösung sein kann. Eine Gleichgültigkeit der Gesellschaft ist der Treibstoff für extremistische Agitation.
- Und drittens: Auch die Wirtschaft muss weiterhin unmissverständlich dafür eintreten, dass die Grundprinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit von allen geachtet werden müssen.
Natürlich ist der Kampf gegen Extremismus schwierig und muss langfristig ausgerichtet sein. Mit dem einmaligen Verteilen von Broschüren zur Unternehmenskultur ist es nicht getan.
Unternehmen, Führungskräfte, Betriebsräte, Gewerkschaften und jeder einzelne Mitarbeiter – sie alle sind gefordert, gegen Diskriminierung und Extremismus jeglicher Art vorzugehen: komme sie nun von rechts, von links oder von islamistischer Seite.
Bei diesem Kampf können sich die Unternehmen auf den Bundesverfassungsschutz verlassen. Wir verstehen uns als Ihr Dienstleister und stehen Ihnen mit Beratung, Informationen und Einschätzungen zu aktuellen Gefährdungen zur Seite!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.