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Statement von BfV-Präsident Thomas Haldenwang zur Vorstellung des Lageberichts „Rechtsextremisten, ,Reichsbürger' und ,Selbstverwalter' in Sicherheitsbehörden“

Datum 13.05.2022

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Ministerin,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich wiederhole ganz deutlich:
Für Rechtsextremisten, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ ist kein Platz im öffentlichen Dienst. Wir werden alles daran setzen um entsprechende Personen zu entdecken und zu entfernen.

Jeder Verfassungsfeind in einer Sicherheitsbehörde erschüttert das Vertrauen in den Staat und in unsere Demokratie und ist damit ein Schlag ins Gesicht für diejenigen Mitarbeitenden, die fest mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und Tag für Tag ihren verantwortungsvollen Job sehr gut und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger machen.

Frau Ministerin wies auf das Gefahrenpotenzial hin, dass Verfassungsfeinde in Sicherheitsbehörden bergen.

Deshalb ist es gut und wichtig, dass wir heute bereits den zweiten Lagebericht zum Thema Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden vorstellen.

Auch mein Dank gilt an dieser Stelle allen Behörden, die an der Erstellung dieses Lageberichtes mitgewirkt haben:

  • dem Bundesnachrichtendienst
  • dem Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst
  • dem Bundeskriminalamt
  • der Bundespolizei
  • der Polizei beim Deutschen Bundestag
  • der Zollverwaltung
    sowie
  • den Landesbehörden für Verfassungsschutz und den
  • Polizeibehörden der Länder.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Der zweite Lagebericht ist nicht nur eine Fortschreibung des ersten Lageberichts, den wir im September 2020 vorgestellt haben. Es ist eine konsequente Weiterentwicklung.

Was meine ich damit?
Unter Federführung des BfV wurde für den zweiten Lagebericht die methodische und analytische Bearbeitung harmonisiert und verschärft, eine qualitative Verbesserung.

  • Die Vergleichbarkeit der übermittelten Fälle wurde in Bund-Länder-Arbeitsgruppen wissenschaftlich optimiert. Dafür wurde ein einheitlicher Fragebogen mit festen Kriterien erstellt, den alle beteiligten Behörden gleichsam ausfüllten. So konnte auch die Erhebung der meldepflichtigen Fälle im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums an die Erhebung der übrigen Sicherheitsbehörden angeglichen werden.
  • Die Übermittlung der Fälle erfolgte personenscharf. Das ermöglicht einen Abgleich mit den bei uns bereits bearbeiteten Personen und eine genauere Analyse von Kennlinien zu Rechtsextremisten.
  • Durch die Einbeziehung des Phänomenbereichs „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ wird die Datenbasis im Ganzen valider.
  • Mit dem Austausch über Best-Practice-Maßnahmen bei der Detektion, Reaktion und Prävention konnte ein Mehrwert für die tägliche Arbeit geschaffen werden, der sich auch in den Ergebnissen dieses Berichts niederschlägt.

Der Lagebericht umfasst einen Erhebungszeitraum, der rückblickend auf drei Jahre festgelegt ist – von Juli 2018 bis Juni 2021. Er überschneidet sich damit um zwei Jahre mit dem Erhebungszeitraum des ersten Lageberichts. Damals bereits übermittelte Fälle wurden weiter bearbeitet und durch neue ergänzt.

Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns noch einmal auf die wichtigsten Zahlen blicken:

  • 176 Fälle davon bei Bundessicherheitsbehörden und
  • 684 Fälle bei Landessicherheitsbehörden
    übermittelt und ausgewertet.

Bei 327 Bediensteten – das entspricht 38 % der Fälle – wurden tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die fdGO festgestellt.

  • Auf Bundesebene 138 Fälle.
  • Auf Landesebene 189 Fälle.

Ganz überwiegend haben diese Fälle einen Bezug zum Phänomenbereich Rechtsextremismus. Nur einzelne Fälle sind dem Phänomenbereich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zuzuordnen.

Meine Damen und Herren,
beim Vergleich der Lageberichte fällt auf: Die quantitative Zahl an Fällen ist gestiegen. Die Gesamtzahl der Fälle fällt neun Mal so hoch aus wie beim ersten Lagebericht, die Fälle mit tatsächlichen Anhaltspunkten sind nahezu 3 Mal so viele. Das ist aber kein Grund zur Annahme, dass unsere Sicherheitsbehörden rechtsextremistischer werden. Im Gegenteil: Die Zahlen sind in erster Linie auf die erfolgreiche Arbeit und Detektion dieser Fälle durch die Sicherheitsbehörden zurückzuführen. Ganz konkret hat der Anstieg der Zahlen folgende Gründe:

  • Er ist zu einem kleinen Teil der Aufnahme der Fälle aus dem „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Spektrum geschuldet.
  • Zum anderen und größeren Teil resultiert er aus der Integration der Fälle aus dem Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums in die Erhebung. Diese wurden im ersten Lagebericht noch exklusiv betrachtet.
  • Die kontinuierliche Bearbeitung der übersandten Prüffälle hat auch zur weiteren Aufhellung des Dunkelfeldes geführt. Hier konnten die Hinweise der zuliefernden Behörden seitens des BfV auf tatsächliche Anhaltspunkte geprüft werden. Unsere Ergebnisse haben wir im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften an die entsprechenden Behörden rückgekoppelt.
  • Durch die intensivere Zusammenarbeit und die weiterentwickelten Methoden konnten auch Fälle detektiert werden, die dem Verfassungsschutzverbund bislang unbekannt waren.
  • Zudem führt die Arbeit am Lagebericht zu einer nochmals erhöhten Sensibilisierung für das Thema bei allen beteiligten Behörden. Das führt zu einer niedrigschwelligeren Übermittlung der Fälle und Aufnahme einer Bearbeitung.

Ein letzter wichtiger Punkt bei der Betrachtung dieser Zahlen: Sie müssen immer auch in den Kontext der Größe des gesamten Personalkörpers der jeweiligen Behörde gesetzt werden.

Meine Damen und Herren,
eine Weiterentwicklung zum ersten Lagebericht ist auch das Kapitel Netzwerkanalyse.

Wir untersuchten dabei, unmittelbare „Kennlinien“ in die rechtsextremistische Szene bei den 327 Bediensteten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die fdGO vorlagen.

Das Ergebnis ist erschreckend: 60 Prozent der Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die fdGO vorliegen, haben im Schnitt jeweils vier Kennlinien in die rechtsextremistische Szene. Diese Kennverhältnisse erstrecken sich nahezu über alle Teilbereiche in der rechtsextremistischen Szene.

Das verdeutlicht noch einmal die Gefahr, von der die Ministerin zu Beginn sprach: Bedienstete in Sicherheitsbehörden mit Kontakten zu Rechtsextremisten verfügen nicht nur selbst über sensibles Wissen oder Waffen. Sie vernetzen sich und können diese Ressourcen dann entsprechend weitergeben. Umso wichtiger ist es, an dieser Stelle ganz genau hinzusehen und frühzeitig zu reagieren.

Meine Damen und Herren,
bei der Bearbeitung gilt weiterhin der Dreiklang: Detektion, Reaktion, Prävention. Das Bundesamt für Verfassungsschutz nimmt dabei mit seiner Zentralstelle „Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst“ eine koordinierende Rolle ein.

Die Detektion extremistischer Vorfälle profitiert erheblich von der engen Zusammenarbeit und dem frühzeitigen Austausch zwischen den Beschäftigungsbehörden und dem Verfassungsschutzverbund.

Den einzelnen Sachverhalten wird durch die jeweiligen Behörden im Sinne einer konsequenten Reaktion nachgegangen. So wurden im Berichtszeitraum 500 arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet.

Im Bereich der Prävention kann bei der Personalauswahl gehandelt werden. Zudem wurden im Berichtszeitraum Aus- und Fortbildungsangebote für die Mitarbeitenden ausgebaut und Ansprechstellen vor Ort etabliert.

Meine Damen und Herren,

es ist und bleibt unakzeptabel, dass es Fälle von Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden gibt. Hier bringen einzelne Personen ihre Kolleginnen und Kollegen und ganze Behörden in Verruf. Diesen Fällen muss und wird deshalb auch weiterhin kontinuierlich nachgegangen werden. Disziplinarrechtliche und strafrechtliche Verfahren müssen folgen.

Wir werden als Bundesamt für Verfassungsschutz unseren Job weiterhin konsequent ausführen, wir werden weiterhin nach Extremisten aller Art in den Behörden und insbesondere in den Sicherheitsbehörden suchen. Und wer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt und dafür eintritt, der hat dort nichts verloren und wir werden dafür sorgen, dass diese Person entfernt wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.