Statement von BfV-Präsident Thomas Haldenwang auf dem 18. Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz am 19. Mai 2022 in Berlin
Datum
19.05.2022
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Ministerin Faeser,
ich danke Ihnen für Ihren wertvollen Impuls und die Wertschätzung unserer Arbeit.
Das gemeinsame Bekenntnis zur Demokratie und die öffentliche Benennung ihrer Feinde sind das Fundament ihrer Wehrhaftigkeit. Denn ohne ein klares Bewusstsein über das Wesen, den Wert und die Würde der Demokratie können wir auch nicht die Logik und Methodik ihrer Gegner verstehen.
Wir sollten uns daher stets erinnern:
Die Demokratie bezieht ihre Kraft und ihre Legitimation aus dem freien Wettbewerb der politischen Ideen, der freien Rede und Meinungsbildung und der Souveränität seiner freien Bürgerinnen und Bürger.
Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung schafft durch Freiheitsrechte den Raum für die Entfaltung des Individuums – und verzichtet damit auf eine politische Heilslehre und staatliche Allmacht.
Die Feinde der offenen Gesellschaft missverstehen dies als Schwäche. Sie verhalten sich unvereinbar antagonistisch zu diesen freiheitlichen Werten.
Totalitäre und autoritäre Regime sind nicht durch eine demokratische Mehrheit legitimiert. Sie bedürfen der Anerkennung von außen – oder zumindest äußerer Feindbilder.
Der politische und religiöse Extremismus erstickt die offene, diskursive Wahrheitsfindung und predigt eine absolute Wahrheit, die alle Widersprüche auflösen soll – sei es im „gesunden Volkskörper der Nation“, einer „klassenlosen Gesellschaft“ oder einem „Gottesstatt“.
Und er rechtfertigt Gewalt gegen jedes Eigeninteresse, das nicht mit der herrschenden Doktrin konform geht.
Der Gegensatz könnte also nicht größer sein. Und er ist alt.
Der Triumphzug des Liberalismus nach 1990 hat lange den Blick auf diese Rivalität verstellt. Und er nährte die Illusion, dass der Sieg vollständig und die Demokratisierung der Welt unausweichlich sein würden.
Heute – im Angesicht eines grausamen Angriffskrieges in Osteuropa und im Rückblick auf eine Abfolge von Krisen, Konflikten und Terrorismus ist evident, dass das konkurrenzlose Momentum der 1990er-Jahre eine gnädige Anomalie war.
Vertrieben aus dem Paradies sind wir längst zurückgekehrt in die harte Realität der Geschichte, in der die Freiheit und Sicherheit der demokratischen Wertegemeinschaft täglich behauptet und gesichert werden muss.
Dieser Realismus ist schmerzhaft, aber notwendig – denn er befreit uns von Täuschungen und schärft die Sinne für die Bedrohungen unserer Sicherheit.
Ganz in diesem Sinne versteht sich das Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz als ein Beitrag zur Stärkung unserer wehrhaften Demokratie.
Bereits seit vielen Jahren warnen wir im Verbund mit anderen Sicherheitsbehörden vor den offenen und verdeckten Bedrohungen für Deutschlands Demokratie, Sicherheit und Wohlstand durch Extremismus und Terrorismus, Spionage und Sabotage sowie die Einflussnahme fremder Mächte.
Viele Warnungen haben sich bestätigt. Und viele bedrohliche Trends und Prognosen bedürfen unserer Aufmerksamkeit.
Unter der Überschrift „Bedrohung der Inneren Sicherheit Deutschlands – Von Delegitimierung bis Desinformation“ wollen wir in Vorträgen und Panels all diejenigen Akteure und Trends in das Blickfeld nehmen, die unsere Demokratie attackieren.
Nachdem Frau Ministerin Faeser bereits zum hoch priorisierten Kampf gegen Desinformation und hybride Aggressoren ausgeführt hat, werde ich aus der nachrichtendienstlichen Perspektive folgende Fragestellungen reflektieren:
- Wie begegnen und gefährden uns Extremismus und Autoritarismus im Jahre 2022? Und welche Trends haben uns dorthin geführt?
- Wie gehen wir damit um? Was bedeutet Verfassungsschutz im 21. Jahrhundert?
- Und was kommt auf uns zu? Welche Risiken erkennen wir für unsere Demokratie?
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
starten wir die Momentaufnahme mit einem kurzen Blick zurück, denn im Bereich der Inneren Sicherheit haben wir bereits vor zwei Dekaden eine Zeitenwende erlebt, deren Parameter bis heute den Kompass unserer Arbeit bestimmen.
Fast vierzig Jahre hatte sich das Augenmerk des Verfassungsschutz-Verbundes auf ein anspruchsvolles, aber klar umrissenes Aufgabenportfolio fokussiert: die Abwehr von innerer und äußerer Subversion.
Es galt, die noch junge Republik gegen Umsturzversuche abzusichern und eine robuste Spionageabwehr zu betreiben.
Der äußere ideologische Rivale saß im Osten hinter starken Grenzbefestigungen – während die inneren extremistischen Bestrebungen trennscharf an den Rändern der bürgerlichen Mitte siedelten.
Die Reinheit der Doktrin und eine klare Abgrenzung zum Wertekanon der Bundesrepublik waren geradezu das Markenzeichen des Extremismus, der sich gut erkennen und beschreiben ließ.
Die wirkliche Zäsur für unsere Arbeit begann buchstäblich über Nacht mit den verheerenden Anschlägen vom 11. September 2001.
Weil der globale Jihadismus keine Staatsgrenzen kennt, mussten wir uns nicht nur national, sondern auch international stark vernetzen, um den Austausch von Informationen zu intensivieren.
Wir erhöhten den Einsatz operativer Maßnahmen in der Realwelt und im Cyberraum – denn bereits früh dienten digitale Kommunikationsmittel als „kollektiver Organisator“ des Jihadismus und Salafismus.
Wir unternahmen eine Schwerpunktsetzung in Richtung des gewaltbereiten Extremismus sowie der Fallbearbeitung von Einzelpersonen und kleinsten, klandestinen Gruppen.
Zahlreiche Anschläge konnten seitdem in Deutschland verhindert werden.
Der damals neue und intensive Phänomenbereich des Islamismus und islamistischen Terrorismus sollte bereits alle großen Trends in sich vereinigen, die wir unter den Schlagworten Internationalisierung, Virtualisierung, Radikalisierung und Entgrenzung zusammenfassen.
Ihre Auswirkung lassen sich in allen Arbeitsfeldern des Verfassungsschutzes nachweisen. Sie haben eine Dynamik freigesetzt, auf die das Bundesamt seitdem mit gleicher Dynamik reagiert.
Bereits zu Beginn meiner Amtszeit 2018 informierten wir über eine Lageverschärfung im Rechtsextremismus, die wieder auf den Parametern der Internationalisierung, Virtualisierung, Radikalisierung und Entgrenzung aufsetzt.
Auch in diesem Phänomenbereich haben wir mit einem enormen Personalaufwuchs und Ressourceneinsatz reagiert, um die Vorfeldaufklärung im analogen und digitalen Einsatzraum zu verbreitern und die Analysekompetenz zu erhöhen.
Denn auch hier beobachten wir mit Sorge, dass in klandestinen Chatgruppen oftmals Attentäter glorifiziert und teilweise sehr junge – mitunter noch minderjährige – Internetnutzer zu Gewalttaten inspiriert werden.
Dem Linksextremismus ist der Internationalismus durch die Natur seiner Ideologie bereits inhärent. Und auch hier sehen wir mit Sorge eine Radikalisierung einzelner Kleinstgruppen, die konspirativ und planvoll schwerwiegende Straf- und Gewalttaten begehen.
Nach der kurzen Friedensdividende der 1990er-Jahre haben wir mit der Spionageabwehr erneut ein Feld mit sehr hoher Arbeitsauslastung. Hier sind ebenfalls alle Merkmale einer zunehmenden Brutalisierung gegeben, die offensichtlich auch vor Mord nicht zurückschreckt.
Denken Sie etwa an das Urteil zur lebenslangen Haftstrafe im Prozess zum Mord im Kleinen Tiergarten in Berlin. Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass der Mord im Auftrag staatlicher Stellen Russlands erfolgte.
Selbstverständlich hatte die Spionageabwehr von je her ein internationales Blickfeld. Doch im Zuge der Digitalisierung potenzierte sich die Dringlichkeit, mit der sich unser Nachrichtendienst den Fragen der Cybersicherheit annehmen musste. Denn die digitalen Technologien sind das Sinnbild für die Entgrenzung der Angriffsfläche, der Datenmengen, der Akteure und ihrer Möglichkeiten.
Darüber hinaus attackieren fremde Dienste und Mächte mithilfe von Cyberoperationen die Demokratien des Westens ganz unmittelbar – durch illegitime Einflussnahme auf Wahlkämpfe, die demokratische Willensbildung, oder durch Attacken auf politische Institutionen und Akteure.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
offenkundig haben sich das Aufgaben- und Beobachtungsspektrum des Verfassungsschutzes sowie die Intensität der Bedrohungslagen spürbar erweitert.
Das Phänomen der Entgrenzung spielt dabei eine maßgebliche Rolle.
Wir haben nicht mehr allein den konventionellen, dogmatischen Extremismus in seinen monolithischen Ausprägungen. Vielmehr wird er offenkundig in beide Richtungen durchlässiger.
Denken Sie etwa an Unterwanderungs-Bemühungen von Linksextremisten bei legitimen Protest-Themen wie dem Klimawandel – oder an die rechtsoffenen Mischszenen, in denen extremistische und bürgerliche Protagonisten buchstäblich Seit an Seit marschieren; so geschehen während der Asylkrise 2015 oder bei den Demonstrationen in Chemnitz 2018.
In den letzten zwei Jahren wurde dieser erkannte Trend erneut sichtbar. In gewisser Weise haben uns die Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie die amorphe Welt des Internets auf die Straße gespült. Wir sahen ein äußerst heterogenes Spektrum aus bürgerlichen Protestgruppen, Esoterikern, Impfgegnern, QAnon-Anhängern, Extremisten und Antisemiten.
Insbesondere Rechtsextremisten versuchten erneut, Einfluss auf die überwiegend bürgerlichen Proteste zu nehmen – zum Beispiel mit Kampagnen gegen eine allgemeine Impfpflicht.
Abgesehen von punktuellen Ausnahmen scheiterte jedoch der Schulterschluss mit der bürgerlichen Mitte.
Zudem bringen Rechtsextremisten im Kontext der Pandemie auch die älteste und primitivste aller Verschwörungstheorien in Stellung: den Antisemitismus.
In allerlei Facetten werden altbekannte antisemitische Narrative im Kontext der Pandemie modifiziert – und allerlei Irrglaube rezipiert; sei es der sogenannte Great Reset – der eine jüdisch inspirierte Weltdiktatur intendiere, die New World Order einer geheim operierende Elite oder der Große Austausch der Bevölkerung Europas durch Zuwanderer aus Afrika oder dem Nahen und Mittleren Osten.
Ohnehin erfuhren Verschwörungstheorien im Zuge der Gesundheitskrise eine gefährliche Booster-Auffrischung.
Sie weisen große Schnittmengen mit Extremismus auf, da auch ihre Anhänger durch diffuse Erklärungsmodelle die Komplexität unserer Welt auf einfache Prozesse reduzieren.
In der Regel wird sie durch eine illegitime Elite gesteuert, die mehr oder weniger geheim und skrupellos zu den perfidesten Schandtaten fähig ist. Die vordergründige Wirklichkeit ist nur eine Schimäre, deren Informationen nicht mehr vertrauenswürdig sind. Und damit schließt sich der Teufelskreis: die Verschwörungstheorie wird zum Filter einer verzerrten Wahrnehmung. Jeder Widerspruch von außen wird nur noch als Bestätigung der eigenen esoterischen Erkenntnis interpretiert.
In der Folge können gruppendynamische Radikalisierungs-Prozesse entstehen. Auch diesen Effekt kennen wir aus dem Extremismus:
Die steigende Empörung über einen verabscheuungswürdigen Feind sowie die Teilnahmslosigkeit und Ablehnung der Mehrheit führen zu einer Spirale aus gefühlter Machtlosigkeit, Wut , Handlungsdrang und mitunter schweren Gewalttaten.
Und so realisierte sich das Umschlagen von bürgerlichem Protest in offene Feindschaft zum Staat. Wir erkannten bei Einzelpersonen und Zusammenschlüssen tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen – die sich in vielen Fällen allerdings nicht den bisher bekannten Extremismusbereichen zuordnen ließen.
Wir richteten daher im April 2021 den neuen Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ ein.
Er ist eine notwendige Reaktion auf neue Kräfte, die Verfassungsgrundsätze außer Geltung setzen wollen, unseren Rechtsstaat durch Schmähungen massiv diskreditieren und danach trachten, seine Funktionsfähigkeit zu unterminieren.
Und – Sie ahnen es bereits – ihre Energie speist sich aus dem virtuellen Raum, der für jeden Nutzer auch eine individuelle Wahrheit bereitstellt.
Einmal mehr belegt unsere nachrichtendienstliche Aufklärung, dass Messengerdienste und verschlüsselte Chatgruppen Treibhäuser für Parallelwelten werden können, in denen jeder Wahn eine Wertschätzung und Weitergabe erfährt.
Die Plattform Telegram ist dabei ein besonders effizientes Sammelbecken für Nutzerkreise mit überlappenden Interessen. In diesem so informellen wie dynamischen Umfeld werden ungefiltert auch ideologische Inhalte und menschenverachtende Äußerungen verbreitet.
Die Mord- und Entführungspläne gegen den sächsischen Ministerpräsidenten und den Bundesgesundheitsminister sind nur zwei Mosaiksteine in einem hässlichen Bild, das Hass und Hetze in viele Köpfe setzt.
Es versteht sich von selbst, dass unsere Demokratie gefährdet wird, wenn Amts- und Mandatsträger vor Privatwohnungen und im Netz massiven Einschüchterungen ausgesetzt sind.
Auch wenn die Aktivitäten und Teilnehmerzahlen stark rückläufig sind, nehmen wir diesen Phänomenbereich sehr ernst. Denn die staatsfeindliche Haltung vieler Protagonisten ist der eigentliche Kern ihrer Motivation, die sich im Zweifel einfach eine neue Schale sucht.
Denken Sie nur an den militärischen Konflikt in der Ukraine, der als neue und ergiebige Quelle für überschießende Emotionen und verschwörungstheoretische Spekulationen genutzt werden kann.
Treten wir einen Schritt zurück und betrachten das aktuelle Lagebild, dann lassen sich interessante Rückschlüsse ziehen:
- Unsere Warnungen vor einer Entgrenzung des Extremismus realisieren sich weiterhin – und gleichsam in einer doppelten Bewegungsrichtung.
- Weiterhin forcieren Extremisten den Schulterschluss mit bürgerlichen Kräften bei polarisierenden Themen.
- Zugleich entstehen neue Formen des Extremismus, die nicht mehr zwangsläufig auf einem ideologisch konsistenten Fundament ruhen.
- Wir sehen eher einen do-it-yourself Extremismus, der sich auf den Wühltischen des Internets bedient und dem ein Telegram-Account genügt, um die dunkelsten Geheimnisse der Weltenlenker zu entschlüsseln.
- Dieser selfmade-Extremismus schafft es mühelos, unter dem gemeinsamen Dach der Staatsfeindlichkeit eine große Zahl an Anhängern zu versammeln, deren Verschwörungsglaube im Wesentlichen ein Abbild ihrer eigenen online-Chronik ist.
Wenn man so will, entspricht diese Entwicklung durchaus unserem Zeitgeist und seiner technischen Mittel, Medien und Methoden.
Nun begegnen uns Personengruppen, die mit wütendem Impetus und anti-elitärem Habitus gegen eine freiheitliche Grundordnung zu Felde ziehen, die ihnen mit großer Mühe diese Freiräume ermöglichen möchte – freilich nur bis zur verfassungsschutzrelevanten Schwelle.
Meine Damen und Herren,
an dieser Stelle möchte ich bilanzieren, dass der Verfassungsschutz im Jahre 2022 wenig gemein hat mit dem Verfassungsschutz vor dreißig Jahren, als zum Beispiel der Extremismus noch sehr deskriptiv gehandhabt wurde.
Die Gewinnung, der Austausch und die Weitergabe von Erkenntnissen haben einen viel höheren Stellenwert erlangt!
Durch den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, durch die Lageverschärfung im Rechtsextremismus, durch neue Phänomenbereiche und angesichts einer anspruchsvollen Auftragslage im Bereich der Spionage und Cybersicherheit sind wir viel stärker auf die Gefahrenabwehr und die Sensibilisierung relevanter Stellen fokussiert!
Dafür haben wir uns in großer Kraftanstrengung gut aufgestellt, indem wir uns selbst enorm internationalisierten, technisierten und die operative Arbeit ausweiteten.
Unsere Maßnahmen – wie zum Beispiel der Einsatz virtueller Agenten – sind vielfach von Erfolg gekrönt.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz fanden am 13. April bundesweit polizeiliche Maßnahmen gegen mehrere Mitglieder der Telegram-Chatgruppe „Vereinte Patrioten“ statt.
Den Beschuldigten werden die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat und Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Voraus gingen operative Maßnahmen des Verfassungsschutz-Verbundes.
Zuvor fanden am 6. April bundesweite Exekutivmaßnahmen gegen Mitglieder mehrerer Gruppierungen gewaltorientierter Rechtsextremisten statt. Anlass waren mehrere Ermittlungsverfahren, die der Generalbundesanwalt gegen Akteure im Umfeld der „Atomwaffen Division“, gegen Mitglieder der rechtsextremistischen Kampfsportgruppierung „Knockout 51“ sowie gegen Personen führt, die im Verdacht stehen, die verbotene Vereinigung „Combat 18 Deutschland“ fortzuführen.
Unser Bundesamt trug auch hier mit Erkenntnissen zu den Ermittlungen bei und unterstützte diese anschließend fortwährend.
In gleicher Weise wirkten wir mit bei zahlreichen Verboten gegen extremistische Vereinigungen. Dies ist ein wesentlicher Aspekt unseres breiten Ansatzes:
Wir machen die Räume eng für Extremisten. Die strategische Losung der Mosaik-Rechten – „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ – lassen wir nicht zu!
Wir stellen uns erkannten extremistischen Akteuren konsequent entgegen – und zwar auf allen Feldern, auf denen wir ihnen begegnen!
So geschehen bei der sogenannten Neuen Rechte – von deren Protagonisten wir etliche zu Beobachtungsobjekten erklärten. Und wir schauen ebenso bei jedem Verdacht hin, der sich in Parlamenten und damit im Blutkreislauf der Demokratie etabliert.
Wir begrüßen es insofern sehr, dass das Verwaltungsgericht Köln die Bewertung und Einstufung der Partei Alternative für Deutschland als Verdachtsfall bestätigt hat. Dem Gericht zufolge beruhe unsere Einschätzung auf einer nicht zu beanstandenden Gesamtbetrachtung.
Wehret den Anfängen heißt bei uns wachsame Vorfeldaufklärung, gewissenhafte Prüfung und konsequente Berichterstattung an den Souverän.
Dies ist nicht allein ein erfolgreicher Kraftakt des Verfassungsschutzes, sondern ebenso ein Sieg der wehrhaften Demokratie, die ihre roten Linien markiert.
Und wir ziehen diese Linien auch innerhalb von Sicherheitsbehörden, denn die schlimmste Form der Entgrenzung ist das Einsickern von Extremisten in den öffentlichen Dienst!
Erst vor wenigen Tagen haben wir – sehr geehrte Frau Ministerin – gemeinsam der Öffentlichkeit den viel beachteten zweiten Lagebericht zu Rechtsextremisten, Reichsbürgern und Selbstverwaltern in Sicherheitsbehörden vorgestellt. Im dem Bericht werden nicht allein die bloßen Zahlen dargestellt, sondern auch ein ganzer Instrumentenkoffer von Gegenmaßnahmen.
Neben dem Kampf gegen den Extremismus liefern wir auch in der Abwehr äußerer Bedrohungen Ergebnisse:
2021 wurden nach umfangreichen Spionageabwehr-Ermittlungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zwei russische Agenten in Deutschland verhaftet. Beide Fälle stehen nur exemplarisch für das breite Aufklärungsinteresse fremder Nachrichtendienste.
Wir haben in den vergangenen zehn Jahren enorme Ressourcen in unsere Cyberabwehr investiert – und dadurch eine tragende Rolle in Deutschlands Cybersicherheitsarchitektur erwirtschaftet.
Wir haben freie Wahlen und den politischen Raum als ein Hochwertziel für Einflussnahme-Operationen fremder Staaten klassifiziert und unseren Beobachtungsraum angepasst. Wir sensibilisieren zügig, planvoll und umfassend über unsere Erkenntnisse – wie etwa anlässlich der festgestellten Angriffskampagne der Cybergruppierung GHOSTWRITER auf deutsche Ziele vor der Bundestagswahl.
Diese Maßnahmen und Kompetenzen stärken unsere enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren in- und ausländischen Partnern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit Blick auf die Zukunft sind diese Fähigkeiten und Partnerschaften von hohem Wert – denn wir erleben mit der aktuellen weltpolitischen Konfliktlage zweifellos eine dramatische Verschärfung aller Gefahrenpotentiale.
Schon vor dem Überfall auf die Ukraine lebten wir nicht nur in einer komplexen, sondern in einer hochgradig kompetitiven Welt, in der mit harten Bandagen gerungen wird.
Globalisierung und Digitalisierung haben in den vergangenen Jahrzehnten sowohl unsere Verwundbarkeit als auch die Zahl der Akteure von Spionage und Sabotage drastisch erhöht – sowie deren Toolbox spürbar befüllt.
Wir taxieren heute das Niveau der Spionage gegen Deutschland mindestens auf dem Stand des Kalten Krieges – wenn nicht deutlich höher!
Bereits im letzten Jahr warnte ich vor einem „Kalten-Technologie-Krieg", dessen Bruchlinien entlang technologischer Einflusssphären verlaufen. Denn Spitzentechnologie und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sind mehr denn je Schlüsselkriterien für Souveränität, Prosperität und Dominanz.
Dieser Trend ist spätestens mit der militärischen Eskalation weiter eskaliert. Durch das massive Sanktionsregime droht sich erneut eine Art „eiserner Vorhang“ in Europa zu senken, der den Personen-, Waren- und Technologietransfer durchtrennt.
Nach den Dekaden der rasanten Vernetzung der Welt sind die Indikatoren für einen neuen Systemwettbewerb zwischen Demokratien und autoritären Staaten unübersehbar.
Es ist also keine kühne These, dass in einer Welt der offenen Waffengänge und drastischen Sanktionen die Hemmschwelle für Spionage, Sabotage und illegitime Einflussnahme weiter sinken wird.
Intensive Cyberangriffe, der Einsatz von Desinformation zur Destabilisierung und Delegitimierung oder illegale Beschaffungsbemühungen sanktionierter Staaten müssen antizipiert und abgewehrt werden.
In dieser Situation bewähren sich unsere Produkte und Partnerschaften, um eine hohe Auslastung fahren und viele Entscheidungsträger erreichen zu können.
Unser Präventionsbereich erweitert laufend sein Angebot für die deutsche Wirtschaft mit Blick auf die möglichen Auswirkungen des Krieges in Osteuropa.
Denn wir teilen die Sorge vieler Unternehmen, dass im Zuge der westlichen Sanktionen und Waffenlieferungen das Risiko von Cyberangriffen als Vergeltungsmaßnahme ernst genommen werden muss.
Die Gefahr ist groß, dass staatliche und nicht-staatliche Akteure unkontrolliert eskalieren – und dabei weitere spill-over-Effekte mit fatalen Kollateralschäden provozieren. Hier schätzen wir Unternehmen der Kritischen Infrastruktur als besonders gefährdet ein.
Zudem wird die Zusammenarbeit mit deutschen Exportkontrollbehörden noch einmal verstärkt. Wir tauschen uns intensiv mit internationalen Partnern zur Aufklärung von Proliferationsaktivitäten aus und unterstützen die Taskforce der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland.
In diesem Umfeld muss Deutschland nicht nur seinen Standard an Sicherheit und Wohlstand wahren, sondern begreifen, dass die Vernetzung der Welt nicht automatisch Risiken bannt, sondern auch als Waffe eingesetzt wird.
In der stabilen – weil statischen – Welt des Kalten Krieges galt lange die Formel: Wandel durch Handel.
In der dynamischen – weil instabilen – Welt von heute gilt für uns Nachrichtendienstler schon lange die Devise: Wir handeln im Wandel!
Denn die aktuellen Ereignisse zwingen uns, Krisenbewältigung als neue Normalität und Resilienz als Grundlage für Stabilität zu betrachten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich – denn die Zahl ihrer Feinde und das Maß ihrer Bedrohung sind gestiegen.
In einer Zeit, die alte Gewissheiten wie Dominosteine umwirft, findet der Extremismus neue Nahrung und Erscheinungsformen.
In einer Zeit, in der in Osteuropa Menschen für ihre Freiheit kämpfen und sterben müssen, offenbart sich einmal mehr die Entschlossenheit autoritärer Regime, die Werte der offenen Gesellschaft zu bekämpfen.
Doch immer wenn die Demokratie aufwacht und sich selbst erkennt, dann entdeckt sie ihre Kraft und Würde. Ihr innerstes Wesen ist der Mut – denn sie setzt sich dem Risiko der Freiheit aus. Ihr Lohn ist die Energie und der geistige Reichtum freier Menschen.
Mit diesen wertvollen Ressourcen haben sich Demokratien immer wieder als nervenstark und lernfähig bewiesen, wenn sie es mussten.
So etwa vor 60 Jahren – am Rande eines Atomkrieges während der Kubakrise 1962, vor 50 Jahren – nach dem Anschlag in München während der Olympischen Spiele 1972, oder vor 20 Jahren – mit den Anti-Terrorgesetzen von 2002, als Deutschland seine Sicherheitsarchitektur überdachte.
Ich habe Ihnen geschildert, dass auch unser Nachrichtendienst seine Struktur und Methodik den Bedürfnissen der Sicherheitslage anpasst. In anspruchsvollen Zeiten kann Deutschland auf Sicherheitsbehörden zählen, die auch sich selbst und ihrer Arbeit einen hohen Anspruch abverlangen.
Und wir haben eine gesetzestreue und loyale Mehrheit in der Gesellschaft, die diesen Anspruch verdient.
Der Extremismus und Autoritarismus ist laut und aggressiv, weil er nicht mehrheitsfähig ist. Ihm gilt unsere Botschaft:
Wir sind da.
Wir sind wachsam.
Und wir sind wehrhaft – denn wir vergessen nie, was wir verteidigen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.