Eingangsstatement BfV-Präsident Haldenwang
Datum
14.10.2024
Es gilt das gesprochene Wort!
Vielen Dank Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Anwesenden,
die großen, internationalen Krisen, über die Herr Kollege Dr. Kahl in seinem Statement bereits berichtet hat, insbesondere der Krieg im Nahen Osten und der Krieg Russlands gegen die Ukraine, machen sich auch - mit voller Wucht auf die Sicherheitslage - in Deutschland bemerkbar. Die Auswirkungen spüren wir deutlich bei den Entwicklungen in den Bereichen des islamistischen Terrorismus und bei den russischen Aktivitäten gegen deutsche Interessen.
Ich spreche zunächst über die Bedrohung durch den Islamismus/Islamistischen Terrorismus:
Nach einer Phase vermeintlicher Beruhigung in Folge der militärischen Niederlage des IS in Syrien und Irak warnen wir bereits seit 2 Jahren wieder intensiv vor eine Erstarkung des islamistischen Terrorismus in Europa . Die brutalen Anschläge in Mannheim und Solingen in diesem Jahr und die zahlreichen Exekutivmaßnahmen, die durch die Sicherheitsbehörden in ähnlichen Zusammenhängen durchgeführt wurden, sprechen hier eine deutliche Sprache: Der islamistische Terrorismus ist zurück in Europa.
Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt der Islamische Staat Provinz Khorasan, dessen Propaganda in Deutschland massiv Wirkung zeigt. Weniger in Moscheen oder bei öffentlichen Veranstaltungen, aber vor allen Dingen im Internet, in den sozialen Medien, auf entsprechenden Plattformen wie TikTok oder Telegram. Dort findet die Propaganda statt und sie richtet sich insbesondere an immer jüngere Menschen und erreicht auch in ihrer modern ausgeprägten Gestaltung die Köpfe dieser oft jugendlichen Personen.
Insofern sehen wir in diesem Bereich insbesondere eine sehr große Gefahr ausgehend von selbstradikalisierten, sehr jungen Einzeltätern, die mit einfachsten Tatmitteln schwerste Anschläge auch hier in Deutschland begehen könnten.
Dabei wirkt sich die Krise in Nahost noch wie ein Brandbeschleuniger auf diese Situation aus. Die teils verstörenden Bilder aus dem Libanon und dem Gazastreifen befördern die weitere Radikalisierung auch islamistischer Kräfte. Entsprechende islamistische Gruppierungen nutzen diese Bilder, teilweise sogar in verfälschter Weise, ganz gezielt für ihre Propaganda. Die Radikalisierung schreitet also weiter voran, die Zahl der Anhängerschaft wirkt.
Besonders betroffen sind in diesem Zusammenhang auch jüdische Menschen in Deutschland. Seit dem 7. Oktober des vergangenen Jahres sehen wir geradezu eine Welle von Antisemitismus und Israelfeindlichkeit über das Land gehen, wobei kaum noch differenziert wird zwischen dem Handeln der israelischen Regierung vor Ort und den jüdischen Menschen hier in Deutschland. Die Anzahl antisemitischer Straf- und Gewalttaten ist in neue Höhen und neue Dimensionen gestoßen. Im Jahr 2024 sehen wir weiterhin eine steigende Tendenz in diesem Bereich.
Hier reden wir nicht mehr nur allein über den Antisemitismus im Bereich des Rechtsextremismus, in dem Antisemitismus geradezu die verbindende Klammer darstellt, sondern wir sehen auch andere Akteure – islamistische Gruppierungen, säkulare islamistische Gruppierungen, wir sehen türkische Rechts- und Linksextremisten – und wir sehen auch Teile des deutschen Linksextremismus, die ganz offen Antisemitismus in Deutschland propagieren.
Es ist für mich eine Schande, wenn in Deutschland Menschen mit jüdischen Symbolen, etwa Kippa und Davidstern, sich nicht mehr in die Öffentlichkeit trauen. Es ist eine Schande, wenn jüdische Studierende sich nicht mehr in die Universitäten trauen. Es ist eine Schande, wenn Davidsterne auf Hauswänden gemalt und Versuche unternommen werden, Brandsätze gegen Synagogen zu werfen. Derartige Dinge kann man sich im Land des Holocaust eigentlich nicht vorstellen.
In diesem Zusammenhang ist auch noch eine besondere Bedrohung gerade dieses Personenkreises durch iranischen Staatsterrorismus zu erwähnen.
Wir nehmen immer wieder wahr, dass Revolutionsgarden oder Quds Force Proxies aus dem Bereich der organisierten Kriminalität nutzen, um für den Iran die Ausspähung von Personen in Deutschland zu betreiben: jüdische Menschen, israelische Interessen aber auch Regimegegner sind dann Gegenstand des Interesses.
In diesem Zusammenhang hat es in Deutschland und im benachbarten Ausland auch schon entsprechende Verhaftungen gegeben.
Ich komme nun zu Russland: Vor zwei Jahren habe ich hier, an dieser Stelle, vorgetragen: Russland ist der Sturm, China der Klimawandel. An dieser Aussage hat sich grundsätzlich nichts verändert. Aber aus dem Sturm ist inzwischen ein veritabler Hurrikan geworden. Und dieser Hurrikan zieht mit Macht von Ost nach West und all die Entwicklungen, die wir inzwischen schon in den östlichen Nachbarstaaten wahrnehmen, im Baltikum und in Polen, wo es noch viel brutaler zur Sache geht als hier in Deutschland, diese Formen ziehen kontinuierlich weiter gen Westen und wir erleben inzwischen auch schon entsprechende Ausläufer.
Wovon spreche ich hier? Ich spreche von all diesen Maßnahmen, die Dr. Kahl angesprochen hat, die dazu dienen, die Unterstützung des Westens für die Ukraine zu untergraben, aber eben auch langfristig mit dem Ziel, eine andere Weltordnung zu gestalten – und dazu bedient man sich aller Mittel. Ich starte etwa – immer nur ein paar Stichwörter nennend, weil die Zeit dafür gar nicht ausreicht – mit dem Bereich der Einflussoperationen: Ganz aktuell hatten wir es zu tun mit der Doppelgänger-Kampagne, wo massiv auch deutsche Medien manipuliert werden und in der Folge manipulierte Zeitungs- und Magazinseiten durch das Internet kursieren, sodass der geneigte Leser den Eindruck hat, dass Informationen aus seriösen Quellen stammen, Informationen, die tatsächlich russische Desinformation und Propaganda darstellen.
Im Bereich der Einflussoperationen ist auch nochmal zu erinnern an die Umstände über die Medienanstalt „Voice of Europe“, wo in Tschechien eine Mediengesellschaft aufgedeckt wurde, deren eigentliches Ziel nicht die Verbreitung von Nachrichten war, sondern die Verbreitung von Desinformationen und Propaganda für Moskau. Das Ziel war zudem, geneigte Europapolitiker gegen Geld zu gewinnen, damit diese Politiker im Europaparlament oder anderswo russische Politik betreiben. Dies sind nur zwei prominente Beispiele von Einflussoperationen; ich könnte das lange fortsetzen.
Dann geht es um das Thema Spionage. Da sehen wir aktuell die Entwicklung, dass - nach der Ausweisung einer sehr hohen Zahl von Agenten - Russland sich inzwischen auch sogenannter Proxies bedient: Personen auch aus dem Bereich der Kriminalität oder der organisierten Kriminalität, Menschen, die für Geld für Moskau aktiv werden. Und in diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere Drohneneinsätze nennen, zur Aufklärung von militärischen Einrichtungen, aber auch Drohneneinsätze zur Aufklärung von kritischen Infrastrukturen – Stichwort: Brunsbüttel.
Hier geht es darum, all die Informationen zu erlangen, die nach dem Wegfall der Agenten nicht mehr aufklärbar waren. Und aus Spionage wird dann auch schnell Sabotage. Ich möchte nur darauf hinweisen: Eine Drohne kann man mit einer Kamera bestücken, aber eine Drohne kann man auch mit Sprengstoff bestücken – und das stellt dann eine große Gefahr dar.
Eine besonders große Gefahr war eine Operation, der sogenannte DHL-Fall, wo Brandsätze in Paketen in Europa versandt wurden. Hier ist es nur ein glücklicher Zufall, dass das Paket noch am Boden in Brand geriet und nicht während des Fluges der Maschine. Wäre das an Bord während des Fluges explodiert, wäre es zu einem Absturz gekommen und die Trümmer hätten hier in Deutschland auch die Menschen treffen können, die offen und manchmal verdeckt, mit Putin und seinem Regime sympathisieren.
Das Cyberthema werden wir sicher noch separat besprechen. Auch da erkennen wir aktuell eine große Gefahr durch eine massive Anzahl von Cyberangriffen. Und zuletzt möchte ich aber auch ceterum censeo sprechen, von der erneut größten Gefahr für unsere Demokratie in Deutschland:
Die größte Gefahr für unsere Demokratie in Deutschland geht auch weiterhin vom Rechtsextremismus aus. Hier möchte ich nur ganz kurz das Beispiel von Thüringen ansprechen, wo eben die Vertreter einer dort erwiesen rechtsextremistischen Landespartei bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments die demokratischen Prozesse ad absurdum geführt und gegen demokratische Prozesse verstoßen haben. Hier bedurfte es des Eingreifens des Landesverfassungsgerichts, um diese Dinge wieder einzubremsen. Das ist vielleicht ein Vorgeschmack auf das, was uns noch bevorsteht.
In dieser besonderen Lage steht das BfV in allen Aufgabenbereichen unter einer Arbeitsauslastung wie noch nie in seiner Geschichte.
In allen Extremismus- und anderen Tätigkeitsfeldern fahren wir unter Volllast. Wir haben keine Möglichkeiten mehr einer Umpriorisierung. Es brennt quasi überall. In dieser Lage bitte ich Sie auch weiterhin um Ihr Vertrauen und um Ihre Unterstützung –, sowohl was unsere Kompetenzen angeht, was unsere Finanzen angeht und, was unsere Personalausstattung angeht.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.